Reden wir über:Das Jubiläum der Weißwurst

Reden wir über: Foto: Christian Endt

Foto: Christian Endt

Metzger Ludwig Margraf ist Liebhaber und Experte

Interview von Anja Blum

Der Legende nach wurde die Weißwurst im Gasthaus "Zum Ewigen Licht" am Münchner Marienplatz am 22. Februar 1857, einem Faschingssonntag, vom Wirtsmetzger Joseph Moser, genannt "Moser Sepp", eher zufällig bei der Bratwurstherstellung erfunden - als "Fehlfabrikat". Damit würde das bayerische Schmankerl an diesem Dienstag 160 Jahre alt. Doch Ludwig Margraf weiß es besser. Der ehemalige Metzger aus Ebersberg ist Experte auf dem Gebiet der Weißwurst. Er hat ein Buch über den dazugehörigen "Mythos" geschrieben und sein Wissen bei unzähligen Seminaren und kabarettistischen Veranstaltungen weitergegeben.

SZ: Heute gibt es nicht nur viele Kalorienzähler, sondern auch zahlreiche Vegetarier und Veganer. Hat es die Weißwurst schwer wie nie?

Ludwig Margraf: Nein, ganz im Gegenteil. Sie erlebt seit etwa 20 Jahren eine Renaissance, sie ist wieder in aller Munde, bildlich gesprochen.

Tatsächlich?

Ja, sie ist einfach ein bayerisches Symbol und von hier nicht wegzudenken. Ein Auslöser für ihre Rückkehr war vielleicht mein Buch "Mythos Weißwurst", das 1999 erschienen ist und ein kleiner Bestseller war. Darin schildere ich auch ihre Entstehung.

Die Legende vom Münchner Marienplatz stimmt also nicht?

Nein, gar nicht, obwohl sie ganz nett ist. Die Weißwurst wurde nicht erfunden, sondern hat sich über eine lange Zeit entwickelt, aus der Not der Bauern und aus den Gegebenheiten in der Küche heraus. Irgendwann ist ein französisches Kochbuch aus dem frühen 19. Jahrhundert aufgetaucht, mit einem Rezept für "Boudin Blanc". Damals war der Aufschrei in München groß, aber ich sehe das ganz pragmatisch: Auch Frankreich war ein Agrarland, dort herrschten die gleichen Probleme wie hier, also sind die gleichen Dinge entstanden. Die mussten sich das Rezept halt aufschreiben - wir konnten es uns merken.

Finden Sie es also albern, wenn nun der 160. Geburtstag der Münchner Weißwurst gefeiert wird?

Nein. Die Wirte machen da ja schon lange eine Show draus, und das ist auch gut so. Damit bringt man die Weißwurst ins Bewusstsein der Menschen.

Sie sagen, die Weißwurst sei "barock". Können Sie das genauer erklären?

Barock ist sie, weil sie zu eben dieser Lebensart dazugehört, zum bayerischen Himmel mit all seinen Wölkchen, Putten und Engerln. Aber darüber hinaus ist die Weißwurst auch so tolerant, wie wir Bayern das immer zu sein glauben.

Wieso das?

Naja, die Weißwurst verzeiht einem eben alles. Man kann sie ganz in der Früh im Blaumann auf dem Viktualienmarkt essen, oder etwas später in der Lederhosn im Hofbräuhaus oder beim Faschingsball um Mitternacht im Smoking. Das passt alles. Aber denken Sie da mal an die Schweinshaxn oder Austern - wie schaut das denn aus?!

Und wie muss man die Weißwurst nun essen? Zuzeln, der Länge nach aufschneiden oder über Kreuz?

Ach, auch das ist eigentlich ganz egal. Der Kreuzschnitt ist natürlich das Eleganteste, und das Zuzeln hat man eigentlich nur bei Fehlprodukten gemacht, die eine zu feste Haut hatten. Aber Hauptsache, es schmeckt, und man bestellt die Würste immer nur einzeln. Das ist die einzige Regel.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: