Rechtsextremismus:"Identitäre" nutzen Kita für politische Aktion

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Ei aus der Kiste: Auf einmal lagen sie vor der Kita "Villa Drachenstein". Mittlerweile sind die politischen Ostergrüße in einer Schachtel verstaut. (Foto: Korbinian Eisenberger)
  • Die fremdenfeindliche "Identitären Bewegung Bayern" platzierte Osterdekoration vor einer Kita in Markt Schwaben.
  • Grund war die Entscheidung der Kita, das traditionelle Osterfest um einen irischen Brauch zu erweitern.
  • Noch bevor die Kinder kamen, wurde die Dekoration eingesammelt.

Von Korbinian Eisenberger, Markt Schwaben

Die Kiste ist braun und hat einen Verschluss. Der ideale Ort für unbestellten Schmuck von Rechtsextremen. Da sind sich die Besitzer der Schachtel einig. Die Kiste steht nach den Ferien in der Zentrale des Ebersberger Kreisverbandes der Arbeiterwohlfahrt (Awo) und ist bis an den Rand mit Kunststoffeiern, Plastiknestern und Schokohasen gefüllt. Das klingt harmlos, wäre das Ganze nicht Teil einer politischen Aktion der fremdenfeindlichen "Identitären Bewegung Bayern". An einem Morgen vor Ostern fanden die Erzieher der Markt Schwabener Kita "Villa Drachenstein" die Plastikeier vor der Tür. Sie haben die braune Kiste geholt, noch bevor die Eltern ihre Kinder brachten.

Es ist ein weiterer absurder Höhepunkt einer Posse, die über Zeitungen und Internet bundesweit die Runde machte. "Bayerische Kita ersetzt Ostern durch den St. Patrick's Day", das war die angebliche Nachricht, und die sorgte deutschlandweit für einen Aufschrei. Im Netz wurde wild diskutiert und geschimpft, im bayerischen Landtag debattierten sie eine Stunde lang über einen CSU-Dringlichkeitsantrag zum Schutz der eigenen Tradition. Die Tatsache, dass die Markt Schwabener Kita Villa Drachenstein die Osterrituale nicht ersetzte, sondern um einen irischen Brauch ergänzte, wurde nur von der Opposition thematisiert. Und auch die ungebetenen Dekorateure der Kita sparten dieses Detail aus.

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Oder aber die Information drang gar nicht so weit vor. Im öffentlichen Bekennerschreiben ernennen sich die "Identitären Bayern" zum Osterhasen, weil die Awo das Osterfest "entgegen des kulturellen Leitbildes gestrichen" habe. Die Awo würde "ihre soziale Verantwortung missbrauchen, um ihre Multikulti-Agenda auf den Rücken von Kindern auszutragen". Obwohl das nicht stimmt, gibt es einige, die das Facebook-Posting samt Fotos für gefällig befinden oder gar loben. Allerdings finden sich auch Gegenstimmen, deutlich mehr als unter anderen Postings der "Identitären". "Andere würden es 'Hausfriedensbruch' nennen (. . .)", schreibt einer: "Lasst die Kinder mit eurer Ideologie in Frieden."

Im Kern geht es genau darum: Um das Wohl der Kinder, um 150 Mädchen und Buben im Hort und im Kindergarten. Was haben die eigentlich mitbekommen, von den Fernsehteams, den Reportern und all dem Bohei? Nachfrage beim Elternbeiratsvorsitzenden Oliver Schweighart. Der 51-Jährige hat eine Tochter im Hort, sie ist neun Jahre alt. "An den Kindern ist das alles Gott sei Dank vorbeigegangen", sagt er am Dienstag. Von den Kindern habe sich niemand an den Erzählungen über den heiligen Patrick gestört, sagt er. Auch von den Eltern habe es keine Beschwerden gegeben. Bis auf wenige Ausnahmen.

So kam das Ganze ja ins Rollen: Durch einen missverständlichen Elternbrief und eine Mutter, die öffentlich dagegen protestierte. Im Awo-Brief an die Eltern hieß es, dass die Villa Drachenstein "in diesem Jahr anstelle eines Osterfestes ein kleines Projekt zum St. Patrick's Day durchführen" werde. "Da haben zwei Eltern bei uns persönlich nachgefragt", sagt Awo-Kreisgeschäftsführerin Ulrike Bittner. "Denen haben wir erklärt, dass wir uns da falsch ausgedrückt haben." Anja Zwittlinger-Fritz, Mutter, CSU-Gemeinderätin in Markt Schwaben und in einem Landtags-Büro tätig, empörte sich hingegen in einem Facebook-Posting: "Wir sind in Bayern! Da feiert man Ostern!", stand dort. Später erklärte Zwittlinger-Fritz, dass ein solches Ausmaß nicht ihr Ziel gewesen sei.

Eine kleine Posse, die aberwitzige Dimensionen annimmt

Um die aberwitzige Dimension des Ganzen zu erfassen, hilft ein Anruf bei Uli Kievernagel in Köln. Der 48-Jährige ist so etwas wie der Inspirator für die Erzieher der Villa Drachenstein. Er ist der Herausgeber des "Kalender der Kulturen", einem Schuljahreskalender, wo neben den hiesigen Bräuchen auch Feiertage anderer Kulturen thematisiert werden. Wie die Mitarbeiter der Awo wird auch er seit Wochen angefeindet.

Statt mit den "Identitären" hat es Kievernagel mit dem AfD-Bundestagsabgeordneten Jörn König zu tun bekommen. Weil die Kita "sich an einem 'Kalender der Kulturen' orientiert, ist für ein christlich-europäisches Osterfest offensichtlich kein Raum da", heißt es in einer Erklärung Königs auf der Webseite der AfD. "Dabei geht es im Kalender eben genau nicht um Ausgrenzung", sagt Kievernagel. Sondern, dass man Fremdes besser versteht.

Zuletzt musste Awo-Chefin Bittner gar dem bayerischen Sozialministerium eine Stellungnahme abgeben. Wie das denn in der Villa Drachenstein sei, mit dem St. Patrick's Day und Ostern? Die 48-Jährige hat sich in den vergangenen Wochen so oft erklärt, wie vorher in 25 Jahren Awo nicht. "So langsam ist der erste Schreck verdaut", sagt sie. Ihren St.-Patrick's-Brunch, den haben sie sich von all dem nicht verderben lassen. Es gab grüne Brote und Säfte - und gebackene Osterlämmer und Schokoeier. Die vom echten Osterhasen.

© SZ vom 11.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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