Raubzug in Grafing und Kirchseeon:19-Jähriger gesteht Überfälle auf Lottoladen und Supermarkt

Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen

Sein Raubzug führte ihn nach Grafing und Kirchseeon (Symbolfoto).

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Das Geld brauchte der Angeklagte für seine Urlaubskasse.

Aus dem Gericht von Andreas Salch, Ebersberg/München

Den Urlaub mit seiner Freundin hatte der Angeklagte schon fest eingeplant. Das Ziel: Polen, Ferien "in einem Häuschen am See". Doch es gab ein Problem. Der Angeklagte, 19 Jahre alt, der sich seit Dienstag vor der 1. Jugendstrafkammer am Landgericht München II verantworten muss, hatte kein Geld für die Reise. Um an welches zu kommen, verübte er am 1. Juni dieses Jahres einen Raubüberfall auf einen Verbrauchermarkt in Grafing.

Außerdem hat die Staatsanwaltschaft Anklage wegen eines Überfalls auf ein Lottogeschäft in Kirchseeon erhoben. Fast schon harmlos wirkt da ein weiterer Vorwurf: versuchte Körperverletzung und Sachbeschädigung. Bei dieser Tat hatte der 19-Jährige einem Bekannten, dem er Geld schuldete, eine Ohrfeige gegeben und gegen die Tür des Autos von dessen Freundin getreten. Zum Auftakt des Prozesses gestand der 19-Jährige sämtliche Taten.

Es ist kurz vor 10 Uhr, als der junge Mann von zwei Wachtmeistern an einer Handfessel in den Sitzungssaal B 166 am Strafjustizzentrum München geführt wird. Im Zuschauerraum sitzen sein Stiefvater, seine Mutter und seine Freundin. Die Mutter weint die meiste Zeit. Nach einer Weile verlässt sie in Tränen aufgelöst den Gerichtssaal und kehrt nicht wieder zurück. Der Angeklagte ist schmächtig und eher klein. An seinen Wangen und am Kinn sprießt der Bartflaum.

Zwei Ausbildungen habe er nach seinem Hauptschulabschuss begonnen, berichtet der 19-Jährige Richterin Regina Holstein. Die erste habe er abgebrochen, weil er "keine Arbeitsmotivation" gehabt und zudem "Gras geraucht" habe. Er sei darum morgens oft zu spät gekommen. Die zweite Ausbildung in einem Verbrauchermarkt in Grafing habe er abgebrochen, weil er sich von seinem Chef "verarscht" gefühlte habe. Ihm sei das Gehalt nicht überwiesen worden, berichtet der 19-Jährige. Es war der Verbrauchermarkt, den er kurze Zeit später überfiel.

Die Mutter gab ihm Geld - davon kaufte er sich Cannabis

Aber auch seine Mutter habe sich "verarscht" gefühlt, so der Angeklagte, und zwar von ihm. Sie habe von morgens 7 bis abends 19 Uhr gearbeitet. Der Stiefvater sei krank gewesen und er habe nach der Kündigung auch nichts mehr verdient. Auch der Job bei einer Münchner Leiharbeitsfirma habe nicht soviel Geld gebracht, wie er sich erhofft habe, so der Angeklagte.

Aus diesem Grund habe er dort im März dieses Jahres gekündigt. Der Mutter erzählte er davon nichts. Er habe nicht gewollt, dass sie wieder weint. Als kein Gehalt mehr überwiesen wurde und sie fragte, was der Grund dafür sei, habe er sie angelogen, räumt der 19-Jährige ein. Trotzdem gab sie ihrem Sohn jeden dritten Tag zwanzig bis dreißig Euro. Davon kaufte er sich Cannabis oder gab es beim Weggehen mit Freunden aus.

Doch das Taschengeld reichte nicht. Da sei ihm die "Idee" mit dem Überfall auf ein Lottogeschäft in Kirchseeon gekommen, so der 19-Jährige. Am 4. Mai dieses Jahres morgens um 8.55 Uhr setzte er seine Idee in den Tat um. Er maskierte sich mit einer Mütze, aus der er Sehschlitze herausgeschnitten hatte, und bewaffnete sich mit einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge zwischen 20 und 25 Zentimetern. Er habe damit aber niemanden verletzen wollen, versichert 19-Jährige. "Geld her" hatte er von dem Inhaber des Lottogeschäfts gefordert. Doch dann passierte etwas, womit er nicht gerechnet hatte. Der Mann weigerte sich Geld herauszugeben. Nicht einmal, nicht zweimal, sondern dreimal. Daraufhin war der 19-Jährige geflohen.

Vier Wochen vergingen. Es sei nicht nach ihm gefahndet worden, erklärt der junge Mann bei seiner Vernehmung. Doch zu Hause habe es Stress gegeben, weil kein Geld da gewesen sei. Außerdem habe er mit seiner Freundin die Urlaubsreise antreten wollen. Den Überfall in Grafing habe er begangen, weil er "keinen anderen Ausweg gesehen" habe.

Es war 6.27 Uhr am Morgen des 1. Juni dieses Jahres. Der 19-Jährige hatte sich wieder maskiert und mit dem Küchenmesser bewaffnet, das er bei dem Überfall auf das Lottogeschäft dabei hatte. Unbemerkt konnte er sich zum Hintereingang des Verbrauchermarktes schleichen. Dort stand eine Türe offen. Der 19-Jährige ging hinein und lief zielstrebig zum Büro der Filialleiterin. Mit den Worten "Geld her", forderte er sie auf,den Tresor zu öffnen und ihm das Bargeld zu geben. Die Beute: 500 Euro.

Auf der Flucht wurde der Angeklagte von der Polizei am S-Bahnhof in Grafing festgenommen - am nächsten Tag hätte er in Urlaub fahren wollen. Behindert wurde seine Flucht auch davon, dass am Tag des Überfalls wegen Gleisarbeiten keine S-Bahn fuhr. Der Prozess dauert an.

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