Rathauskonzert:Inspiration mit Niveau

Rathauskonzert Vaterstetten

Maßstäbe gesetzt: Rauschhaft und doch glaubwürdig ist das Spiel des "Pavel-Haas-Quartetts" beim Vaterstettener Rathauskonzert.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das "Pavel-Haas-Quartett" und Boris Giltburg stellen einmal mehr ihre Klasse unter Beweis

Von Ulrich Pfaffenberger, Vaterstetten

Wie auf den Leib geschnitten. So darf man mit Fug und Recht das Programm - aus den Streichquartetten Nr. 7 von Schostakowitsch und Nr. 13 von Franz Schubert sowie dem Klavierquintett Op. 81 von Dvořák - nennen, mit dem am Sonntagabend das Pavel-Haas-Quartett und der Pianist Boris Giltburg beim Rathauskonzert in Vaterstetten aufwarteten. In bester Tradition tschechischer Kammermusikensembles bestachen die agilen Vier aus Prag gemeinsam mit dem zu Recht schon in der Spitzenklasse notierten Klavier-Virtuosen mit einer Aufführung, die es an Tempo und Leidenschaft ebenso wenig mangeln ließ wie an technischer Finesse. Wer so die Saiten glühen lässt und es versteht, sich selbst genauso wie das Publikum in einen Rausch zu spielen, ohne dabei die Glaubwürdigkeit ernsthaften Musizierens zu verlieren, ist Maßstab selbst in der anspruchsvollen Zunft der Streichquartette. Einmal mehr darf es sich daher die Vaterstettener Konzertreihe anrechnen lassen, großstädtisches Niveau "in die Region" geholt und außergewöhnliche Qualität zu einem verlockenden Preis nahbar gemacht zu haben. Warum an so einem Abend Plätze im Saal des Seniorenwohnparks frei bleiben, erschließt sich nicht.

Veronika Jaruskova und Marek Zwiebel an den Violinen, Radim Sedmidubysky an der Viola und Peter Jarusek überzeugten durch ein Spiel wie aus einem Guss, mit blindem Verständnis füreinander, das trotz der strengen klassischen Form mitunter wie leichthin improvisierter Jazz erschien. Ihr Miteinander ist fein austariert, die gelegentlichen Soli zieren die inspirierte Ensemble-Leistung, ohne den Fluss des Spiels zu brechen. Bei aller Konzentration, die bei den anspruchsvollen Werken gefordert ist, vergessen die Musiker nicht das Heitere, Spielerische, das allen drei Kompositionen innewohnt. Dass das Quartett, anders als im Programm vorgesehen, erst den Schostakowitsch spielte und darauf den Schubert folgen ließ, war der Dramaturgie dienlich und machte dessen Modernität in überraschender Klarheit erkennbar.

Ein Beispiel, das Crescendo zum Ende des ersten Schubert-Satzes. Einige wenige Takte nur, die aber von einer solchen Intensität, dass sie einem unvermittelt bewusst machen, wofür dieses Stilelement geschaffen wurde: Aufbau der instrumentalen Spannung, Explosion der Gefühle, Nachklang der musikalischen Idee - meisterhaft dargeboten, hingebungsvoll musiziert. Das ist Temperament nicht um seiner selbst willen, sondern als Ausdruck der Verbundenheit mit dem Werk. Das ganze Konzert hindurch währt dieses feine Spiel mit der Dynamik, kein Lehrbuch könnte es besser beschreiben. Die Vier bewegen sich durch den schmalen Korridor zwischen überirdisch und perfekt so behände, dass sie die Wände nicht einmal ansatzweise berühren, aber den Zuhörern das Gefühl geben, sie könnten es. Weshalb einem gar nichts anderes übrig bleibt, als ihre Interpretation ohne Zögern anzunehmen.

Noch ein Beispiel, das Menuett, dritter Satz bei Schubert. So, wie das Haas-Quartett ihn spielt, darf er als archetypisch für das Genre gelten. So konzertant wie nötig, so tänzerisch wie möglich, die Leichtigkeit der Bewegung von traumwandlerischer Sicherheit, die Eleganz der Betonung mit der Lässigkeit von Musikern, die mit ihrem Instrument spielen, nicht arbeiten. Kein Wunder, dass es vom verwöhnten Vaterstettener Publikum dafür schon zur Pause zwei Hervorrufe gibt.

Für die sie später mit dem Dvořák-Quintett eine Belohnung auf anhaltend hohem, scheinbar mühelos erspielten Niveau erhalten: Vom sinnlichen Beginn über die markant gesetzten Lichter im ausgiebig zelebrierten, packenden ersten Satz, mit malerisch konzipierten Klangbögen im zweiten und dritten Satz, erfüllt von einer beherzt angenommenen Vivace-Vorgabe, bis zu den mitreißenden Wirbeln im abschließenden Allegro. Die ganze erzählerische Kraft der Komposition, die in wesentlichen Teilen Giltburg mit seinem direkten, zwanglosen Spiel innehat, umwirbt so unverblümt die Fantasie des Publikums - dass man das Gefühl hat, diese Musik sei in ihrer Form erstmals in der Welt und nur für den Augenblick gerade geschrieben. Diesem Dvořák und seinen Interpreten liefert man sich widerstandslos aus und genießt, gibt den Gedanken und Gefühlen die Freiheit, eine Liaison mit der Musik einzugehen - und spendet dafür dankbar und ausgiebig Applaus.

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