Rathauschefs im Stress:Die Arbeit hört nicht auf

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Das Amt des Bürgermeisters bringt schöne Aufgaben mit sich, aber auch Termine von morgens bis in die Nacht. Zwischen Gratulationen, Sitzungen und Verwaltungstätigkeiten bleibt oft wenig Zeit für Familie und Privatleben

Von Daniela Gorgs, Ebersberg

Es ist mitunter schwierig, einen Bürgermeister ans Telefon zu bekommen. "Rufen Sie in zwei Stunden wieder an. Er ist auf Termin", bekommt man vom Vorzimmer zu hören. Und dann hofft man, genau die Lücke abzupassen, in der der Rathauschef vom Termin zurückgekehrt ist und noch nicht in der nächsten Besprechung sitzt. Ein Bürgermeister eilt von Termin zu Termin. Auch abends und am Wochenende. Es bleibt wenig Lebenszeit für sich selbst, Freunde und Familie. Zudem steht ein Bürgermeister ständig unter Druck: direkt gewählt, den Bürgern verpflichtet - und immer das Spannungsfeld zwischen den eigenen Mitarbeitern, der Politik und der Kommune. Er muss Ärger abfedern, Kritik einstecken. Markt Schwabens Rathauschef Georg Hohmann, 66, ist das zu viel geworden. Er leidet an chronischer Erschöpfung. Georg Hohmann hat die Reißleine gezogen und offiziell eine Auszeit eingelegt.

Walter Brilmayer ist seit 24 Jahren Bürgermeister in Ebersberg und zieht seinen Hut vor dem Markt Schwabener Kollegen. "Ich habe großen Respekt vor seiner Offenheit." Georg Hohmann möge sich gut auskurieren. Die Belastung sei groß, eine Trennung von Privatleben und Amt kaum möglich. "Man ist immer mittendrin und versucht zu helfen." Brilmayer, der ein enormes Arbeitspensum bewältigt und zahlreiche Großprojekte in der Kreisstadt umsetzte, musste vor ein paar Jahren wegen einer Herzoperation ebenfalls pausieren. Ob die Erkrankung jedoch mit der Arbeitsbelastung zusammenhing, könne er nicht sagen. Und doch, seitdem verfolgt er seine Strategie für eine ausgewogenes Verhältnis zwischen Privatleben und Berufsleben noch konsequenter. Dazu gehört viel Sport treiben, wandern und Rad fahren. Und wenn Brilmayer Urlaub hat, verreist er. Das Handy bleibt ausgeschaltet.

Für Georg Reitsberger, Bürgermeister in Vaterstetten, würde Reisen eher Stress bedeuten. Als Landwirt ist er eine Sieben-Tage-Woche gewöhnt. Von Kindesbeinen an kennt er die Verantwortung, die der Alltag mit sich bringt. Und gern sei er die Verpflichtung eingegangen, als Bürgermeister die Großgemeinde zu leiten. Gespräche mit Bürgern, Veranstaltungen, Stammtische - das sei sein Leben. Freilich, Kritik müsse man einstecken können, empfindlich dürfe man nicht sein. "Ich habe ein breites Kreuz", sagt Reitsberger. Doch nach viereinhalb Jahren merkt auch er, dass man es nicht allen recht machen kann. Und mitunter ärgert er sich über "unbelehrbare, unzufriedene" Bürger und grübelt abends daheim, wie er mehr Verständnis bei gegensätzlichen Positionen wecken kann. In seiner Familie gilt der humorvolle Mann deshalb schon als "Bedenkenträger". Reitsberger kann verstehen, dass einem das Bürgermeisteramt auch mal zu viel werden könne. Doch bei ihm würden die "schönen Momente" überwiegen.

Ludwig Maurer, Bürgermeister in Hohenlinden, erfreut sich auch nach 21 Jahren noch an seiner Aufgabe. "Man lebt das Amt." Bislang habe er auch die oftmals langen Gemeinderatssitzungen immer gerne geleitet. Seine kleine Gemeinde sei im Vergleich zu Markt Schwaben oder Vaterstetten wohl einfacher zu führen. "Die politischen Strömungen sind nicht so groß." Es lasse sich leichter ein gemeinsames Ziel finden. Doch nimmt auch er so manches Thema mit nach Hause und hat das Wohl der Bürger immer im Kopf. Doch wenn er dann seine kleine Landwirtschaft betreibt, könne er auch schnell wieder umschalten.

Udo Ockel findet seinen Ausgleich ebenfalls in der Natur, beim Nordic Walking. Er ist seit 16 Jahren Bürgermeister in Kirchseeon und baut auf ein "gut funktionierendes Rathausteam". Auf seine Mannschaft, die schützend die Hand über ihn halte, sei er sehr stolz. Äußerst selten werde er im Urlaub angerufen. Als Bürgermeister könne er zudem gut delegieren. Ockel sagt, er habe längst nicht den Anspruch, überall dabei zu sein. Und so manch netten Termin übergibt er seinem Stellvertreter.

Angelika Obermayr liest ihre E-Mails auch im Urlaub. Sie fühle sich wohler, wenn sie auf dem Laufenden ist. Die Grafinger Bürgermeisterin hat sich erst für dieses Amt beworben, als die Kinder aus dem Haus waren. Nach 18 Jahren Engagement als Stadträtin wusste sie, dass die Arbeitsbelastung hoch sein würde. Seit 2014 führt sie das Grafinger Rathaus. Die nervliche Anspannung sei extrem: "Man steht immer im Fokus der Fraktionen, Parteien, der Öffentlichkeit." Ihren Kopf bekommt sie frei, wenn sie daheim mit der Familie kocht oder sich mit Freunden trifft. Die fehlende Trennung zwischen Amt und Privatleben findet sie nicht belastend. Wenn Bürger sie beim Einkaufen treffen, wird sie angesprochen. Das sieht Obermayr ganz pragmatisch, weil sie so hautnah von Problemen erfährt und darauf reagieren kann.

Ihr Vorgänger Rudolf Heiler sah sich nach 34 Jahren kommunalpolitischem Engagement am Ende als "getriebener Mann". Anforderung und Arbeitsbelastung eines Bürgermeisters seien außergewöhnlich. Durch die Terminhetze von Montag bis Sonntag komme man nicht mehr zum Nachdenken. Wenn man dann noch politische Probleme habe und nur noch Querschläge aus den Gremien abwehren müsse, dann schlage sich das rasch auf die Gesundheit. Heiler erlitt einen Herzinfarkt und musste sich einer Bypass-Operation unterziehen. Erst dann schaltete der damals 58-Jährige einen Gang zurück und entschied sich gegen eine erneute Kandidatur. Kollegen sollten sich immer vergegenwärtigen, dass die extreme Belastung Spuren hinterlässt. Sein Tipp: Man solle nicht alles so wichtig nehmen und sich abgewöhnen, es allen recht machen zu wollen.

© SZ vom 14.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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