Radeln im Winter:Mit Stirnlampe, Spikes und Regenhose

Manche Ebersberger lassen sich auch von Schnee, Matsch und Eis nicht vom Fahrradfahren abhalten. Martin Störkle legt sogar jeden Tag die Strecke zwischen Ebersberg und München auf seinem E-Bike zurück

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Wenn Martin Störkle in die Arbeit fährt, zieht er Skiausrüstung an, warme Unterwäsche, Überschuhe, eine Warnweste und eine Stirnlampe. Und dann steigt er auf sein S-Pedelec, jeden Tag, ob es nun stürmt, regnet oder schneit - und radelt von Ebersberg zu seinem Arbeitsplatz nach München, 12 000 Kilometer im Jahr kommen so zusammen. "Ich bin eigentlich schon immer überall hingeradelt, seit der fünften Klasse", erzählt der 46-jährige Physiker. Dennoch pendelte er zu seinem Arbeitsplatz in München erst einmal mit der S-Bahn, bevor er zunächst gelegentlich ausprobierte, ob das nicht auch mit dem Rad gehen könnte. Es ging, dauerte aber ein bisschen lang, deshalb gönnte sich Störkle etwas Unterstützung durch einen Elektromotor und erzielt jetzt eine beneidenswerte Durchschnittsgeschwindigkeit von 33 Kilometern pro Stunde. Eine gute Stunde ist Martin Störkle unterwegs, bis er bei seiner Firma angekommen ist - oder vielmehr beim Fitnesscenter nebenan. Die heiße Dusche hier ist dringend nötig, um auch für den Arbeitstag gesellschaftsfähig zu sein: "Ich komme ja total durchgeschwitzt an."

Morgens muss er gegen sieben Uhr los, zurück ist er in Ebersberg zwischen halb sechs und halb sieben. Im Winter ist es also immer dunkel, beim Losradeln wie beim Zurückkommen. Dennoch will Störkle seine Art des Pendelns nicht mehr missen - im Gegenteil: Befindet er sich mal auf Auslandsreisen, versucht er seine Routine beizubehalten. Neulich ist er etwa in China zu seinem Arbeitsplatz geradelt, allerdings war der in diesem Fall nur zwei Kilometer entfernt.

Störkle ist einer von vielen Unverdrossenen im Landkreis, die auch im Winter nicht zwangsläufig auf das Auto oder ein anderes warmes, wind- und wettergeschütztes Fortbewegungsmittel umsteigen. Auch Nicola Glonner gehört dazu, vier Mal in der Woche radelt sie von ihrem Wohnort in Zorneding zum Kindergarten in Pöring, wo sie arbeitet. Aus ökologischen Gründen vor allem, aber auch, weil es ihr - jedenfalls meistens - Spaß macht. Mehr als drei oder vier Kilometer seien das aber gar nicht, sagt sie bescheiden, es sei auch eine angenehme Strecke über Fahrradwege und kleine Sträßchen: "Und wenn es total schüttet, fahre ich nicht!" Auch sperrige Transporte bewältigt sie dann lieber mit dem Auto. Schnee, Matsch, Nebel oder rutschiges Laub hingegen können sie nicht aufhalten. "Mit dem Auto wäre es bei Schnee auch nicht lustiger", erzählt die 48-Jährige, "es steht nämlich nicht in der Garage, deshalb müsste ich es erst freikratzen." So schwingt sie sich meist doch lieber aufs Fahrrad, in dicker Jacke, handgestrickten Handschuhen und einer roten Häkelmütze, die, wie sie selbst sagt, vielleicht nicht unbedingt ein optisches Highlight ist, aber gut wärmt. Und besonders schön sei es, nach der Fahrt ins Warme zu kommen: "Darauf freut man sich so richtig."

Für die Ebersberger Autorin und Grünen-Politikerin Bettina Goldner kommt mittlerweile ohnehin kaum noch ein anderes Fortbewegungsmittel als das Fahrrad in Frage. Ihr 16 Jahre altes Tourenrad trägt sie auch zuverlässig durch Herbst und Winter. "Auto gefahren bin ich schon immer sehr ungern, inzwischen mag ich gar nicht mehr fahren." Ganz abgesehen davon, dass das Fahrrad das ökologischste Fortbewegungsmittel ist - sie genießt, dass ihr bei der Fortbewegung die frische Luft um die Nase weht, sie mag auch das Tempo: "Das ist genau meins. Das Auto ist mir zu schnell, zu Fuß ist es mir zu langsam." Nur wenn es richtig eisglatt ist, traut sie sich eher nicht; Regen hingegen schreckt sie nicht, davor schützen sie ihre, wie sie sagt, "greißliche" Regenhose und ein dichter Anorak.

Bremsen prüfen, warm anziehen

Wer vor hat, sich auf zwei Rädern durch die kalte Jahreszeit zu bewegen, muss zunächst erst einmal eines machen: sicherstellen, dass die Bremse auch gut funktioniert. Dazu rät Karl-Heinz Schmeling vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) im Landkreis Ebersberg. Ebenso wichtig ist allerdings auch, dass man weiß, wie man die Bremse bei Glätte oder Schneematsch richtig einsetzt, nämlich möglichst sparsam. Schon vor den Kurven sollte man das Tempo soweit drosseln, dass in den Kurven ein Bremsen nicht mehr nötig ist. "Es ist sicher auch sinnvoll, dass man mal ausprobiert, wie viel länger der Bremsweg bei Schnee ist", sagt Schmeling. Dass man besonders vorsichtig unterwegs ist, sollte selbstverständlich sein. Sind die Radwege nicht oder nur schlecht geräumt, was häufig der Fall ist, sei es sinnvoller, auf die Straße auszuweichen, sagt Schmeling. Spikes, wie sie Antje Berberich nutzt, helfen laut Schmeling vor allem bei sehr winterlichen Straßenverhältnissen, auf trockenen Straßen eher nicht: "Aber sie sind eine gewisse Versicherung für alle Fälle, deshalb kann man sie eventuell in Betracht ziehen."

Fahrräder, die in Matsch und Schnee unterwegs sind, brauchen besondere Pflege. Die Kette sollte besonders oft gesäubert werden. Darüber hinaus rät Schmeling dazu, mindestens einmal pro Woche das Fahrrad mit Wasser abzuwaschen, um Streusalzreste zu entfernen und die Rostgefahr zu verringern. Dass Radfahren im Winter sehr gesund ist, darauf weist die Kaufmännische Krankenkasse KKH hin. Man stärke sein Immunsystem, reduziere sein Infektionsrisiko und wirke zahlreichen Erkrankungen wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Problemen entgegen. Wichtig aber: warme, wind- und wasserabweisende, möglichst atmungsaktive Kleidung, idealerweise mit reflektierenden Streifen, um gut sichtbar zu sein. Die KKH rät auch zum Fahrradhelm, darunter sollte man eine spezielle Helmmütze tragen. Eine gewöhnliche Wintermütze unter dem Helm zu tragen, sei hingegen keine gute Idee, dadurch sitze der Helm zu locker und zu hoch auf dem Kopf. moo

Einen Rat hat sie für andere Winterradler: möglichst defensiv fahren. "Das ist es nicht wert, dass man für ein paar Sekunden einen Unfall riskiert", sagt sie. Man müsse immer - das gelte im übrigen auch für die anderen Jahreszeiten - damit rechnen, dass ein Autofahrer ohne zu schauen die Tür aufreißt, obwohl ein Radler vorbei fährt, oder vor dem Radler einschert, obwohl dieser Vorfahrt hat. "Manche Autofahrer gehen automatisch davon aus, dass sie wichtiger sind", hat Goldner festgestellt.

Eine, die sich durch keine Wetterlage vom Radeln abhalten lässt, ist die Ebersberger Stadtarchivarin und Kuratorin Antje Berberich: "Das ist alles nur Kleidungssache!" Einen heißen Tipp hat sie aber fürs Radeln in der kalten Jahreszeit: Spikes. Ihr altes Damenfahrrad - eines ihrer vier Zweiräder für alle Gelegenheiten - hat sie bereits vor zehn Jahren damit ausgerüstet und es somit winterfit gemacht. Ganz billig sei das nicht, sagt sie, aber es lohne sich. Weggerutscht ist sie seither nie, wie sie erzählt; ins Schlingern geraten ist sie eher im Sommer mit einem ihrer anderen Fahrrädern, wenn Sand in der Kurve lag: "Da bin ich schon mal im hohen Bogen über die Lenkstange geflogen."

Das Radeln im Winter bietet in den Augen der 76-Jährigen nur Vorteile: Während man als Fußgänger lange unterwegs ist und sich dabei kalte Füße holt, bewegt man sich als Radler, wird dadurch schön warm und kommt überdies auch noch viel schneller ans Ziel. Gegen kalte Hände hat Berberich kuschelige Lammfellhandschuhe. Dass ihre Kollegen und auch Bürgermeister Walter Brilmayer immer wieder staunen, wenn sie nach einer Radfahrt durch den Schnee voller Schwung ins Rathaus hineinschneit, kann sie gar nicht verstehen, denn auch Spaß macht ihr das Winterradeln meistens. "Und wenn es mir mal keinen Spaß macht, dann betrachte ich es als Fitness."

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