Provokante Kunst:Ikarus zwischen Bäumen

Der Skulpturenpfad im Ebersberger Forst erhält Zuwachs - unter anderem wird dort ein Objekt aus dem Nachlass von Otto Dressler aufgestellt

Von Rita Baedeker

Provokante Kunst: Dieses "Ikarus" genannte Großobjekt von Otto Dressler wird demnächst im Frühjahr in den Skulpturenpfad im Ebersberger Forst integriert.

Dieses "Ikarus" genannte Großobjekt von Otto Dressler wird demnächst im Frühjahr in den Skulpturenpfad im Ebersberger Forst integriert.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Ikarus heißt er, der "Neue" auf dem Skulpturenpfad im Ebersberger Forst. Ein Ikarus, gefangen zwischen dicken Stämmen. Wahrscheinlich drei, in jedem Fall aber zwei Großobjekte des 2006 verstorbenen Bildhauers Otto Dressler aus Moosach könne man im Wald aufstellen, erklärt Ebersbergs Stadtarchivarin Antje Berberich optimistisch. Zum einen den "US-Phönix" mit seinen Stars und Stripes, vielleicht auch die drei "Befehlsempfänger", jene konstruierten Selbstschussapparate in Menschengestalt von der deutsch-deutschen Grenze, und eben den "Ikarus". Zwischen den einzelnen Skulpturen und Objekten, die ausgehend vom Forsthaus Hubertus auf dem etwa zwei Kilometer langen Wanderweg zu besichtigen sind, gibt es schließlich noch genug Platz.

Doch Franz Wörle, als teilnehmender Bildhauer federführend bei der Gestaltung des Skulpturenpfads, winkt ab. "Den Ikarus habe ich zugesagt, ein zweites Werk - da muss man erst mal schauen. Drei gehen auf keinen Fall." Wörles Zurückhaltung hat nichts mit mangelnder Wertschätzung für Otto Dressler zu tun, sondern mit den Gegebenheiten des Waldes. "Unsere Konkurrenz sind die Wildschweine", sagt Wörle. Den "Ikarus", ein metallenes Fluggerät mit einer kopfüber in einen Käfig eingezwängten nackten Puppe und zwei Flügeln, welche - wie es der antike Mythos erzählt -, der Sonne zu nahe kommen, könne man gut zwischen zwei Bäume hängen. Die anderen beiden Arbeiten, auf Winkel-Keilen ruhende Stelen, hielten jedoch wühlendem Wild nicht stand. Die müsste man erst mit Beton in den Boden stemmen. So stehe etwa die Installation mit dem Titel "US-Phönix" auf einer für die freie Natur wenig geeigneten Basis. Aus zwei schwarzen Grabstelen steigt der amerikanische Adler, das Wahrzeichen der USA, patriotisch in die Lüfte. "Ich finde es gut, eine Arbeit von Otto Dressler auszustellen", sagt Wörle. "Ich habe ihn selber gut gekannt und schätze sein Werk." Doch auch andere Künstler sollen an dem Ausbau des Pfades beteiligt werden. Aufgestellt werden die Arbeiten im kommenden Frühjahr.

Auch inhaltlich hat Wörle kein Problem mit dem provokanten und politischen Werk Dresslers, den die Bildzeitung schon mal als Nestbeschmutzer diffamierte. "Für den Skulpturenpfad gab es thematisch keine Vorgaben", erklärt der Bildhauer. Gerade der "Ikarus" sei wie geschaffen für den Forst. Dort kann man sich in aller Ruhe in die mehrdeutige Symbolik und die drastische Darstellung vertiefen. Der Widerspruch zwischen dem Traum von der Freiheit, den das Fliegen versinnbildlicht, und dem unausweichlichen Tod des in ein Metallgestell gepferchten Menschen, etwa als Bomberpilot im Krieg, zwingt zum Innehalten. Im Wald, den die Menschen gerne mit Unschuld und Idylle gleichsetzen, dürfte die Wirkung des "Ikarus" stärker sein als im Museum. Tiefes Erschrecken an einem scheinbar friedlichen Ort, wie es ihn auch an der deutsch-deutschen Grenze gegeben hat, würden wohl auch die "Befehlsempfänger" mit ihren Soldatenhelmen auslösen. Aber dafür müsste sich erst eine Lösung finden, wie man das Werk im Waldboden installieren könnte. Es wäre ein Erschrecken ganz in Otto Dresslers Sinne.

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