Käserei in Glonn:"Mein Vorbild das sind und bleiben die Schweizer"

Käserei in Glonn: Der Meister in seiner Schatzkammer: Hubert Stadler lässt seine Laibe im Keller reifen. Seine Käserei ist an die Herrmannsdorfer Landwerkstätten in Glonn angegliedert.

Der Meister in seiner Schatzkammer: Hubert Stadler lässt seine Laibe im Keller reifen. Seine Käserei ist an die Herrmannsdorfer Landwerkstätten in Glonn angegliedert.

(Foto: Christian Endt)

Feuchte Luft, ein kühles Salzbad, ab und zu eine Streicheleinheit: Hubert Stadler produziert in Glonn rund 60 Tonnen Käse pro Jahr.

Von Franziska Langhammer

Wer schon immer einmal dem Jugendwahn Argumente entgegensetzen wollte, der sollte sich einige Zeit in einem Käsekeller aufhalten. Die Luft ist feucht und kühl, es riecht nach geronnener Milch. Und die sich in den Regalen rekelnden Laibe haben nichts Besseres zu tun als zu warten, dass die Zeit vergeht. Hier herrscht das Gesetz des Käses: je reifer, desto besser.

Sein ältester Käse? Das Gesicht von Hubert Stadler leuchtet auf: "Das glaubst du nicht." Lächelnd führt der Käsemeister in das hinterste Abteil seiner Kellerräume, öffnet die schwere Schiebetür und zeigt mächtige Käselaibe in verschiedenen Altersstufen. "Der hier ist von 2016, der von 2011, und der hier", Hubert Stadler geht in die Knie, um stolz auf ein kleineres, besonders runzliges Exemplar zu zeigen, "der ist schon über zwanzig Jahre alt." Zwar hätten seine Vorgänger des Öfteren probehalber durch die Rinde gebohrt und so wahrscheinlich den Geschmack des bejahrten Käses verdorben. Trotzdem warte er noch auf einen besonderen Moment, um den Käse von der Sorte Alter Herrmannsdorfer anzuschneiden, erzählt Stadler.

Ein bisschen Nostalgie könnte dabei auch mitspielen: Stadler selbst hat hier in den Neunzigern eine Ausbildung zum Molkereifachmann absolviert und kann sich noch gut an die Herstellung dieses Käses erinnern. Seit elf Jahren führt er die Käserei selbst, die an die Herrmannsdorfer Landwerkstätten angegliedert, aber eigenständig ist. Während Hubert Stadler erzählt, wischt und schrubbt im Hintergrund emsig der Azubi an der Weichkäse-Wanne und dem riesigen runden Käsekessel. Dabei braucht man sich für Schweißperlen nicht unbedingt körperlich zu verausgaben: Der Käse bevorzugt in manchen Stadien seiner Herstellung karibisches Klima. Um ihn bei Laune zu halten, beträgt die Luftfeuchtigkeit in der Käserei teilweise 100 Prozent.

Morgens um sieben beginnt der Arbeitstag des Käsereiteams von Hubert Stadler: Vier Lieferanten aus der Region bringen die Milch, etwa 2000 Liter täglich. Um den Eiweiß- und Fettgehalt der Milch nicht durch schädigendes Pumpen antasten zu müssen, lässt man sie direkt in die großen Behälter fließen. Ob Camembert oder Blauschimmelkäse, das entscheidet sich jetzt.

Schon hier wird die Käsesorte festgelegt, indem die Milch mit Reifekulturen und Milchsäurebakterien versetzt wird. "Die stelle ich zum Teil selbst her, zum Teil kaufe ich sie auch aus Laboren", sagt Stadler. Der Käse mag es körperwarm: Zwischen 32 und 35 Grad - je nach Sorte - beträgt die Temperatur in den Bottichen. Als nächstes wird Lab zugegeben, ein Enzym, hergestellt aus Kälbermägen, das für die Gerinnung des noch flüssigen Milchgemischs zuständig ist. "Dicklegen" heißt dieser Vorgang, bei dem eine puddingartige Masse entsteht.

Es braucht Gefühl und Erfahrung

"Jetzt kommt die Käseharfe zum Einsatz", erklärt Stadler. Das Gerät heißt so, weil es so aussieht: Wie eine Harfe mit Stahlsaiten durchschneidet sie den gallertartigen Brei. Je härter der Käse werden soll, umso kleiner müssen die Stückchen sein, die von der Käseharfe zerteilt werden. Der nächste Schritt erfordert Fingerspitzengefühl - oder Erfahrung, wie Hubert Stadler einwirft. Er muss von Hand feststellen, ob die gewünschte Festigkeit erreicht ist. "Mit der Zeit hat man das im Gefühl", sagt der Käsemeister. Oftmals wird dieser Schritt als die wahre Kunst des Käsemachens bezeichnet, doch Hubert Stadler tut dies schmunzelnd ab: "Fehler können zu jedem Zeitpunkt der Produktion passieren." Zugluft zum falschen Moment etwa könne dazu führen, dass der Käse nicht reift, sondern nur stinkt.

Anschließend wird der Käse in Formen gefüllt; der Weichkäse per Hand, der Hartkäse über Pumpen. Einige Stunden bis Tage lagert er nun und muss immer wieder umgedreht werden, damit die verbliebene Molke gleichmäßig heraustropft. Heute steht Camembert auf dem Plan, aus Ziegenmilch. 160 Stück ergibt eine Charge, wenn der Kessel voll ist. Ziegenmilch ist im Winter oft knapp, weil die Ziegen dann die Milch für ihre Jungtiere brauchen.

"Der Bestand muss gepflegt werden"

Im Sommer sieht das anders aus. "Wenn ich nur Weichkäse herstellen würde, hätte ich zur Milchspitze ein Problem", erklärt Stadler - denn: Wohin mit so viel kurz haltbarem Weichkäse? Daher müsse er besonders im Sommer seine Produktion anpassen und mehr lagerungsfähigen Käse herstellen. Käsemachen ist eben nicht nur ein Handwerk, sondern auch ein Austarieren von Angebot und Nachfrage, Lagerungsmöglichkeiten und Milchbestand.

In den Boden im nächsten Raum sind Becken mit Salzlake nebeneinander eingelassen. Hier wird der Käse eingetaucht, er kühlt aus und nimmt Salz auf. Nach seinem Bad in der Lake ist der Käse leichter als zuvor: Das Salz zieht das Wasser aus dem Käse heraus. Außerdem sorgt das Salzkonzentrat im Wasser dafür, dass sich die Rinde der Käses bildet. "So ein Laib Bergkäse bleibt etwa vier Tage in der Lake", erklärt Stadler, "aber es dauert bis zu zwei Wochen, bis sich das Salz im ganzen Käse verteilt hat."

Käserei in Glonn: Mit der Hand wird der Weichkäse in Formen gefüllt und immer wieder gewendet.

Mit der Hand wird der Weichkäse in Formen gefüllt und immer wieder gewendet.

(Foto: Christian Endt)

Ihre vorerst letzte Ruhestätte finden die Käselaibe in den Lagerungskellern, die durch unterschiedliche Temperatur und Luftfeuchtigkeit die einzelnen Käsesorten in ihren Eigenheiten verpäppeln. Jeder Keller hat einen eigenen Geruch. So können einem schon mal die Augen brennen. "Wenn Käse älter wird, produziert er unter anderem Ammoniak", erklärt Stadler.

Zudem verlieren die Laibe mit der Zeit an Gewicht. Ein Laib Bergkäse von 25 Kilo wiegt nach einem Jahr nur noch 22,5 Kilo. "Da geht eine ganze Brotzeit mit dem Wasserdunst verloren", sagt Stadler. Doch selbst in der Lagerung braucht Käse Pflege und Zuwendung. Immer wieder werden die Laibe gewendet, mit Öl eingeschmiert oder mit Wasser abgebürstet. "So ein Käsekeller ist vergleichbar mit einem Stall voller Viecher", findet Hubert Stadler, "der Bestand muss gepflegt werden."

60 Tonnen Käse produziert der Glonner Käsemeister auf diese Weise im Jahr, etwa 1,2 Tonnen pro Woche. Seine Abnehmer sind Biomärkte, Hofläden, fahrende Händler - und natürlich die Herrmannsdorfer Landwerkstätten, die monatlich ein Fünftel seiner Produktion abkaufen, vermarkten und so eine gewisse Sicherheit bieten. Zudem hat Stadler noch einen eigenen kleinen Laden in Biberg bei Tuntenhausen, in dem er seinen Käse vertreibt.

Inspirationen aus anderen Ländern

In den vergangenen Jahren, erzählt Hubert Stadler, habe sich die Kundschaft teils geändert. Immer wieder rufen bei ihm besorgte Konsumenten an, die sich über artgerechte Tierhaltung und Bio-Standards informieren wollen. "Wir waren von Anfang an Bio", sagt Stadler. So zahlt er einem Lieferanten einen Zuschlag für Milch, die von Kühen kommt, deren Hörner nicht abgeschnitten worden sind. Auch die Heumilch lässt er sich was kosten: Milch, bei denen Kühe nicht mit blähender Silage, sondern mit Heu gefüttert werden.

Stadler blickt auch gern über den Tellerrand: Mit Kollegen fährt er jedes Jahr zu Käseproduktionen, um sich dort Inspiration zu holen - etwa vom Parmakäse in Italien, oder bei der Herstellung von Camembert in Frankreich. Auch wenn er sich für viele Sorten aus den unterschiedlichsten Regionen erwärmen kann, steht für Hubert Stadler in Sachen Käse eines fest: "Mein Vorbild hoch drei, das sind und bleiben die Schweizer."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: