Premiere mit neuem Chef:Ganz anders als im Lehrplan

Premiere mit neuem Chef: Johannes Buck und Manolis Kyritsis begeisterten beim Lehrerkonzert der Vaterstettener Musikschule.

Johannes Buck und Manolis Kyritsis begeisterten beim Lehrerkonzert der Vaterstettener Musikschule.

(Foto: Christian Endt)

Musikschule Vaterstetten mit hinreißend eigenwilligem Konzert

Von Ulrich Pfaffenberger, Vaterstetten

"Ein Abend mit Wolfgang Astor van Theodorakis". So könnte man ein Konzert überschreiben, bei dem "Eine kleine Nachtmusik" neben einem Tango erklingt, in dem Blues und lyrisches Klavier um die Seelen der Zuhörer wetteifern und in dem die "Waldstein-Sonate" dem Folklore-Lied begegnet. Der wirkliche Titel dagegen ist klassisches Understatement: Zum "Konzert der Lehrkräfte" hatte die Musikschule Vaterstetten am Freitagabend in den Saal des Seniorenparks eingeladen.

Nichteingeweihte erwarten unter solcher Überschrift die Fortsetzung des Unterrichts mit anderen Mitteln. Kenner der Veranstaltung wissen indes, welcher Hörgenuss sie bei dieser Gelegenheit erwartet. Sie wurden, soviel vorweg, bei der Premiere unter dem neuen Schulleiter Bernd Kölmel in ihren Hoffnungen und Erwartungen bestätigt. Zudem durften sie sich, auch das eine lieb gewordene Tradition, wieder an einigen Überraschungen erfreuen. Die daraus entstanden, dass die Lehrer munter Regeln brachen, die sie im Schulalltag als Grundlagenwissen vermitteln. Alexander Spoerl hat dafür in seinem Roman "Memoiren eines mittelmäßigen Schülers" in anderem Zusammenhang den nur scheinbar paradoxen Lehrsatz geprägt: "Bevor du lernst, wie man's macht, musst du lernen, wie man's nicht macht."

Puristen in Sachen "ernster" Musik mögen sich daran reiben, dass ein Kontrabass so mir nichts, dir nichts durch einen E-Bass ersetzt wird. Oder dass in einem Concerto Grosso -Karl Jenkins: Palladio - eine veritable "Schießbude" an die Stelle dezenten Schlagwerks rückt, um die Angelegenheit rhythmisch aufzupeppen. Das steht so nicht im Konzertführer und auch nicht im Lehrplan. Aber es ist legitim im Weiterspinnen des Gedankenfadens "Musik", auf dass ihn nachwachsende Generationen aufgreifen und zu neuen Geweben verknüpfen. Wer solche Pädagogen hat, für den gewinnt der vermeintlich altmodische Gedanke vom "Lehrer als Vorbild" neue Kraft: "Dieser Ohrwurm, den jeder kennt - den kann mein Lehrer musizieren. Das will ich auch können." Davon kann es nicht genug geben, das ist einer Musikschule würdig, die sich nicht als Drillanstalt versteht, sondern als Quelle künstlerischer Schaffenskraft.

Darum gab es im freitäglichen Konzert auch ein paar Dinge zu lernen, die über Notenschlüssel und Vorzeichen hinausgehen. Schöne Beispiele führten das Publikum dorthin, wo Musik zur Sprache wird, Geschichten erzählt und die Fantasie in einem Maße beflügelt, wie es Bildern und Worten nur annähernd gelingt. Als Manolis Kyritsis, begleitet von Johannes Buck am Akkordeon, den Mikis-Theodorakis-Titel "Vréchi Stin Ftohojitonià" anstimmte, hatte er zuvor mit einer Übersetzung die melancholische Stimmung des Liedes zu vermitteln versucht. Ihre Kraft entfalteten die Worte der Originalsprache aber durch ihre musikalische Ausprägung.

Ein weiterer Lerneffekt: Man kann mit den Ohren sehen und Musik mit allen Sinnen fühlen. Etwa bei drei Miniaturen von Edvard Grieg, die Thomas Hüther mit intensiver Poesie aus dem Klavier zauberte. Oder bei einer "Forest Meditation", ebenfalls am Klavier, in der Marianne Drügh in einer Eigenkomposition die kalifornischen Redwoods nahbar machte. Oder bei einem "Seawind", den ein inspiriertes Quartett aus Vibrafon, Marimbafon, Percussion und Schlagzeug wehen ließ. Oder in "Cafe 1930", dem zweiten Stück aus einem Tango-Zyklus von Astor Piazzolla, bei dem Hanna Obermeier-Liebl an der Gitarre und Benedikt Breinl am Cello die Stimmung einer Epoche und das Charisma eines Stils zum Leben erweckten. Wobei das Cello anstelle der sonst üblichen Flöte erklang und tiefen Eindruck hinterließ.

Eine bereichernde Erweiterung des musikalischen Erfahrungsschatzes lieferte auch die Lehrerband, die an diversen Jazz-Titeln ihrer Lust am Improvisieren frönte. Das darf man grundsätzlich erwarten, aber welch unglaubliche Kraft eine "Lead Violin" entfaltet, wenn sie bei Nummern von Herbie Hancock oder Mongo Santamaria die Saiten mit solcher Kraft tanzen lässt, wie das Sunny Howard an diesem Abend in Hochform tat - dafür war jeder der überschäumenden "Bravo"-Rufe im begeisterten Applaus mehr als verdient. Spätestens nach diesen Passagen war die unterstellte Rollenverteilung "Lehrer auf der Bühne, Schüler im Saal" perdu und die Stimmung mündete in schiere Begeisterung.

Eine Begeisterung, die sich nach der hoch konzentrierten, temporeichen und wie aus Stein gemeißelten, geradlinigen Interpretation des ersten Satzes von Beethovens Waldstein-Sonate wie ein Gewitter über den Pianisten Patrick Goppold entlud. Wer solche Lehrer hat, für den ist Musik ein großes Geschenk.

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