Porträt:Von "Marienhof" zu "Zorneding TV"

Zorneding TV - Neues Infoformat im Internet

Laptop und Mobiltelefon, mehr braucht Michael Jäger nicht.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Michael Jäger war viele Jahre ein bekanntes Serien-Gesicht im Fernsehen. Nun betreibt der 50-Jährige einen Online-Kanal in Zorneding - aus gutem Grund.

Von Viktoria Spinrad, Zorneding

Der Morgen danach. Verschlafen schält sich ein Mann hinter einem Heuballen hervor, im Hintergrund die leeren Tische und die Bühne des Zornedinger Gemeindefests vom Vortag. "Servus Gmoa" grüßt er auf einem Heuballen lehnend mit betont verkatertem Gesicht in die Kamera und lässt den Vorabend Revue passieren.

Wenig erinnert an die einstige Marienhof-Rolle, für die er lange bundesweit bekannt war: Er spielte den liebenswürdigen Lehrer Matthias Kruse in einer der beliebtesten deutschen Vorabendserien, 17 Jahre lang immer. Derzeit präsentiert er sich mit Humor und Selbstironie auf Zorneding TV, seiner eigenen Multimedia-Plattform aus der Gemeinde.

Wie kommt ein ehemaliger Serienstar dazu, im Münchner Umland einen Social-Media-Kanal über eine 9200-Einwohner-Gemeinde zu starten? Die Frage stellt sich unweigerlich, wenn man auf die Testsendungen von Zorneding TV stößt, in denen Michael Jäger vom Ortsleben der Gemeinde berichtet. "Na weil's das hier noch nicht gibt", sagt der 50-Jährige. Ein Café in Zorneding. Jäger trägt ein helles Hemd und Dreitagebart. Er hege durchaus noch schauspielerische Ambitionen, sagt er, aktuell aber habe er aber andere Prioritäten - und eine davon sei eben Zorneding TV, ein Format, das er auf Youtube, Twitter und Facebook vorantreiben möchte.

"Willkommen aus dem Huibergstudio", grüßt Jäger darin. Vor zwei Jahren ist er mit seiner Partnerin aus München nach Zorneding gezogen. Das Huibergstudio ist nach dem Zweitnamen des Daxenberg in Zorneding benannt, dort wohnt Jäger. Den Greenscreen hat er im Gästezimmer seiner Wohnung aufgespannt; ansonsten brauche er nur Laptop und Handy, das technische Wissen hat er sich selbst beigebracht. "Wer die Möglichkeiten des Internets nicht nutzt, überlässt es den Falschen", sagt Jäger. In der Vergangenheit hat er seine Affinität zu den sozialen Medien für eine Bewerbung als Tatort-Kommissar eingesetzt - mit Erfolg, er bekam 2011 eine Rolle als Kommissar in einem Konstanzer Tatort.

Tagsüber Schauspieler, abends Barkeeper - die Zeiten sind vorbei

Das war die große Bühne. Und jetzt: Zorneding TV. Welches Ziel er heute mit dem Kanal verfolge? "Ich würde gerne schlechte mit guten Nachrichten verdrängen", sagt Jäger, der auch im Presseverteiler der Gemeinde ist. In Bayern gebe es kaum Bürgerkanäle, als Berichterstatter mit kritischem Anspruch sehe er sich nicht. "Ich bin selber größtenteils mit schlechten Nachrichten sozialisiert wurden", sagt er. Hier in Zorneding möchte er unterhalten, Menschen zusammenbringen und positive Nachrichten in den Vordergrund stellen. "Wir haben hier so ein schönes Dorf", sagt er und schnipst mit den Fingern. "Hier ist viel mehr los, als die Leute denken." Wenn jemand durch ihn von einer Veranstaltung erfährt, sagt Jäger, dann habe er sein Ziel erreicht.

Zorneding rockt

Mit dem Equipment sendete er auch vom Bürgerfest am Wochenende.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dass er selber nicht aus Zorneding stammt, sieht er bei seinem Projekt als Vorteil: "Ich bin nicht in die etablierten Netzwerke eingebunden, also kann ich mich frei zwischen den Akteuren bewegen." Nicht nur berichten, sondern etwas bewegen möchte Michael Jäger auch mit seinem Multimedia-Kanal: Da Zorneding trotz eines Arbeitskreises im Gemeinderat noch keine Wlan-Hotspots errichtet hat, nahm er die Sache selbst in die Hand. Seine Initiative für freies Wlan setzt darauf, dass Zornedinger ihr Internet mit ihren Mitbürgern teilen. Außerdem will er mit der Plattform nebenan.de die Nachbarschaftshilfe in Zorneding vorantreiben, "damit aus Schlafstadtbewohnern wieder Nachbarn werden, die sich kennen und helfen".

Teilen, sich vernetzen, kooperieren, das ist sein Ding, erzählt Jäger, der als Adoptivkind in Kaiserslautern aufwuchs und dort, so sagt er, wenig Nachbarschaft erfahren hat. Überhaupt erzählt er von einer Kindheit voller Entbehrungen. Positiver wurde es, als er 1989 nach München zog, er ging dort auf eine private Schauspielschule. "Eine tolle Zeit", sagt er. Tagsüber Schauspieler, abends Barkeeper, um die Schauspielstunden bezahlen zu können. "Meine zwei Traumjobs", sagt er. Ein Traum sei auch die Zeit als Darsteller des Lehrers Matthias Kruse im Marienhof gewesen, da habe er "tolle Leute kennengelernt".

"Das war jetzt wohl mein letzter Umzug"

Bis vor zwei Jahren betrieb Michael Jäger eine Kneipe in der Maxvorstadt, dann zog es seine Partnerin zurück in ihre Heimatgemeinde Zorneding. "Als wir das erste mal reingefahren sind, hab ich zu ihr gesagt: Wenn du mich jetzt hier aussetzt, find ich nie wieder heim", sagt er und lacht. Mittlerweile hat sich der Neu-Zornedinger hier etabliert. Er hilft bei der Tafel der Gemeinde und moderiert und coacht für eine Firma in München. "Die Sturm-und-Drang-Zeit ist vorbei", sagt er. Tatsächlich wirkt Michael Jäger tiefenentspannt und zufrieden. Er zündet sich eine Zigarette an. Drei Jahre war Gran Canaria sein Lebensmittelpunkt. "Das war jetzt wohl mein letzter Umzug", sagt er.

Serienstar, Gastronom, und jetzt Zornedinger Good-News-Moderator. Im Oktober will er live auf Sendung gehen, bis dahin soll ein fest eingerichtetes Studio stehen. Um sein TV-Projekt auch langfristig zu halten, setzt er auf Werbung und Tauschgeschäfte. "Ich erwarte nicht, in den ersten beiden Jahren überhaupt Geld mit dem Projekt zu verdienen", sagt er, der Spaß stehe im Vordergrund, lieber schränke er sich finanziell ein.

Um sein Projekt bekannter zu machen und andere einzubeziehen, soll Zorneding TV auch ein "Mitmachprojekt" sein. Eine Jugendliche und ein älterer Herr seien bereits auf ihn zugekommen, um in Zukunft die Kinder- und Seniorennachrichten zu moderieren. Ein Zornedinger Bassist hat ihm eine Titelmelodie komponiert; ein 15-Jähriger will ihm jetzt ein virtuelles Studio aufbauen. "Mit After-Effekten, als wenn wir von einem gläsernen Penthouse am Herzogplatz berichten würden."

Als sein Ziel gibt Jäger folgendes aus: "Zorneding bunter machen", Zugezogene und Eingeborene zusammenbringen, auf Veranstaltungen, Beschlüsse des Gemeinderats und lokale Betriebe aufmerksam machen. Eine "multimediale Ergänzung" zu den etablierten Medien sein. Ein zweites Ziel: Am Abend ins Bett fallen mit dem Gefühl: "Das ist okay, was ich heute gemacht habe." Denn dann rechne man auch nicht in Geld, sagt er, sondern in Glückskarmapunkten.

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