Poing:Hilfestellung beim Spagat

Poing: Viele junge Leute wünschen sich Kinder und einen Ausgleich zwischen Job und Familie. Doch oft passen Arbeits- und Betreuungszeiten nicht zusammen.

Viele junge Leute wünschen sich Kinder und einen Ausgleich zwischen Job und Familie. Doch oft passen Arbeits- und Betreuungszeiten nicht zusammen.

(Foto: Christian Endt)

Doris Rauscher, Ebersberger Abgeordnete und familienpolitische Sprecherin der SPD im Landtag, spricht in Poing über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Von Serafine Dinkel, Poing

"Arbeiten und Kinder, das geht einfach nicht zusammen. Ich habe es lange versucht, doch wenn ich noch einmal jung wäre, würde ich keine Kinder mehr kriegen." Die Worte einer Teilnehmerin der Veranstaltung "Zwischen Familie und Beruf - junge Familien im Zwiespalt" sind bedrückend ehrlich. Lassen sich Beruf und Familie unter einen Hut bringen? Wie das möglich wäre, versuchte Doris Rauscher, SPD-Landtagsabgeordnete und Fraktionssprecherin für Familienpolitik, auf Einladung des SPD-Ortsvereins zu erklären. Anwesend waren hauptsächlich Mitglieder, doch das Thema betrifft sehr viele.

"Die Gesellschaft hat immer mehr Anforderungen an die Familie", stellt die SPD-Ortsvorsitzende Cornelia Gütlich eingangs fest. "Familiengerechte Politik" müsse gemacht werden, die die Bedürfnisse junger Eltern befriedigt, sagt Doris Rauscher. Diese identifiziert sie mithilfe einer neuen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung über "Lebensentwürfe junger Frauen und Männer in Bayern". Aus dieser geht hervor, dass Menschen zwischen 18 und 40 Jahren weniger Wert auf Reichtum und Karriere als auf finanzielle Sicherheit legen. Für Frauen wie Männer nimmt die eigene Familie einen hohen Stellenwert ein. Und mehr als die Hälfte wünscht sich einen "gesunden Ausgleich" zwischen Beruf und Familie. Dennoch sind manche Geschlechterrollen noch festgefahren. Im Haushalt zum Beispiel sind sich die Teilnehmer fast flächendeckend einig: Die Frau putzt, kocht, wäscht, pflegt, der Mann erledigt nur "kleine Reparaturen". Weiter stellt die Studie fest, dass sich die Familienstrukturen in Bayern geändert haben. Nur noch 73 Prozent der Paare leben in Ehe, dafür gibt es mehr "Lebensgemeinschaften" und auch Alleinerziehende.

"Familienpolitik ist kein Kuschelthema", betont Rauscher. "Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat letztendlich einen gesamtwirtschaftlichen Einfluss." Und da bestehe deutlicher Handlungsbedarf. Der Großteil der Befragten sieht diese Vereinbarkeit nur mit "viel Energie und Geschick" zu erreichen. "Den Frauen geht beim Spagat öfter die Puste aus", so Rauscher. Mit weitreichenden Folgen: Arbeite die Frau weniger, sinke deren Rentenanspruch. Das Risiko der Altersarmut bestehe. Unfreundliche Unternehmensstrukturen führten dazu, dass Männer hingegen sich nicht trauten, ihr "Vaterdasein" und damit verbundene Leistungen in Anspruch zu nehmen.

Rauscher beantwortet die Frage nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht mit praktischen Lebenstipps, sondern mit ihren gesamtpolitischen Lösungsansätzen: mehr Flexibilität, mehr Betreuung, so lassen die sich zusammenfassen. Arbeits- und Betreuungszeiten müssten flexibler werden, Betreuungsplätze für Schulkinder und Unter-Dreijährige müssten ausgebaut werden. Zwar habe sich da einiges getan; die Anzahl an Plätzen müsse aber noch aufgestockt werden.

Sie erzählt von einem Münchner Ärztepaar mit drei Kindern. Beide könnten nur berufstätig sein, weil Wohnung, Arbeitsplatz und Kita auf dieselben "eineinhalb Quadratkilometer" fallen. Würde sich ein Faktor ändern - beispielsweise ein Kind keinen Kita-Platz bekommen - geriete das Gleichgewicht ins Wanken. Ob man als Mutter arbeitet oder nicht, sei letztlich die eigene Entscheidung, betont Rauscher. Doch es müssten Strukturen für einen möglichst schnellen Wiedereinstieg geschaffen werden, für die, die es wollen. Manche steigen aber auch erst sehr viel später wieder ein, gibt ein Teilnehmer zu bedenken. Je länger die Pause, desto schwieriger: Nach 20 Jahren Pause stünde dann die Akademikerin "beim Bäcker an der Kasse". Das gibt Rauscher zu denken.

Nicht nur Verfügbarkeit, sondern auch Qualität der Betreuung spielen laut Rauscher für junge Familien eine Rolle. Pädagogisches Fachpersonal sei in der Betreuung gefragt. Mütter ohne pädagogische Ausbildung in der Ganztagsbetreuung zu beschäftigen, so engagiert sie auch seien, könne keine Dauerlösung sein.

Wieso denn die anderen Parteien da keinen gemeinsamen Nenner fänden, will ein Teilnehmer wissen. Die "Wege und Prioritäten" seien unterschiedlich. Die CSU versuche immer noch, am klassischen Familienbild festzuhalten. Dabei laufe einiges schief, wie mit der Einführung des Betreuungsgeldes, das gerade dazu anreize nicht weiterzuarbeiten. Das werde von sozial schwachen Familien in Anspruch genommen, "oder von besser situierten, die damit die Aupair bezahlen". Das Betreuungsgeld verschiebe das Problem der mangelnden Betreuungsplätze, statt es zu lösen.

Zur Lösung des Dilemmas müssen die Bürger letztlich auch selbst Druck machen, erklärt Rauscher. Als Stadträtin habe sie sich für die Krippe in Ebersberg "den Mund fransig geredet". Durchgesetzt wurde diese aber nur durch den Druck engagierter Eltern.

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