Poing:Fußball in der Traglufthalle

Poing: Ein ruhender Ball (Symbolbild).

Ein ruhender Ball (Symbolbild).

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Nach dem Orangenwurf eines Bewohners verteidigt Plienings Asyl-Helferkreis die Flüchtlinge in Grub. Seit Kurzem gibt es in der Halle zudem ein neues Ritual.

Von Korbinian Eisenberger, Poing

Werner Erhard hatte die Orangen-Kiste wie sonst auch von einem Hof aus Gelting bekommen. Erhard, der IT-Manager, packte die Kiste in sein Auto und fuhr sie am Samstagvormittag von Pliening nach Grub bei Poing. Dort angekommen, ging er durch die Metalldrehtür der Traglufthalle und stellte die Kiste auf dem Tisch vor dem Security-Büro ab. "Ich habe noch kurz Bescheid gegeben, dass ich Orangen für die Bewohner da gelassen habe", sagte der 60-Jährige der SZ am Montag. Alles, was dann passierte, erfuhr Erhard erst am Sonntagmorgen, als sich die Gemeinde Pliening zum Neujahrsempfang traf.

Die Szene, in der ein 21-Jähriger Hallenbewohner ausrastete, passierte kurz nachdem Erhard die Halle wieder verlassen hatte. Wie die Polizei mitteilte, warf der 21-Jährige eine Orange gegen die Wand des Security-Büros der Gruber Traglufthalle, der letzten verbliebenen Massenunterkunft des Landkreises Ebersberg, wo 160 Flüchtlinge untergebracht sind. Anschließend ging er auf einen Security los. Die Polizei sandte ein Großaufgebot nach Grub, die örtlichen Beamten wurden von Einsatzkräften aus umliegenden Revieren unterstützt. Der Angreifer blieb unverletzt, der Mitarbeiter wurde mit Schwellungen und Kratzern am Kopf ins Krankenhaus gebracht. All das wegen einer Zitrusfrucht?

In der Gruber Ersatzunterkunft gab es wie in der seit drei Monaten beschädigten Plieninger Traglufthalle immer wieder Schlägereien, meist eskalierten Kleinigkeiten. Am Montag teilte Poings Polizeichef Helmut Hintereder mit, dass der Mann wohl tatsächlich deswegen erbost war, "weil eine der Orangen aus seiner Sicht faul war". Anschließend, so die Polizei, sei er auf den Mitarbeiter losgegangen, worauf Tumulte entstanden. Ein Security verständigte die Polizei wegen einer "Massenschlägerei", danach hatte es zunächst wohl ausgesehen. Später stellte sich heraus, dass sowohl die Securitys als auch die beteiligten Flüchtlinge schlichten wollten, so die Polizei. "Es handelte sich lediglich um eine einzige Person, die schon in der Vergangenheit öfter auffiel", so Hintereder.

Der Plieninger Asylhelferkreis spricht davon, dass Krawalle in der Halle meist nur von einigen wenigen ausgelöst würden. "Es ärgert uns, dass gleich alle 160 schlecht dastehen, obwohl nur einer Probleme gemacht hat", sagt Konrad Weinstock, Vorsitzender des Plieninger Asylhelferkreises. Die zusätzliche Entfernung der Halle führe im Helferkreis zu Unmut - von anfänglich 70 eingetragenen Mitgliedern seien derzeit noch 16 bis 18 aktiv, so Weinstock. "Es gibt aber genügend Fälle, wo die Freiwilligen sehen, dass Dankbarkeit für ihre Arbeit zurückkommt."

Denn: Wie überall müsse man auch bei den Menschen in der Halle differenzieren, sagt Weinstock. "Es gibt zwar einige Bewohner, die sich erst Integrationskurse wünschen und dann nicht hingehen", sagt er. "Das ist für die Organisatoren frustrierend." Die Gegenbeispiele seien aber deutlich in der Mehrzahl. "Die meisten gehen mittlerweile in die Arbeit und abends in die Schule", sagt Weinstock. Seit Kurzem werden zudem nach dem Essen die Bierbänke zur Seite geräumt und Mülleimer aufgestellt, als Torpfosten. "Die Idee hatte einer der Securitys", sagt Weinstock. Um Punkt 21 Uhr wird in der Halle jetzt jeden Tag Fußball gespielt.

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