Poing:Ein Allergikerstall für die "Wehwehchen-Pferde"

Poing: Helene Nowack mit ihren Heuschnupfen Pferden in Poing. Im Hintergrund das allergikerfreundliche Elefantengras.

Helene Nowack mit ihren Heuschnupfen Pferden in Poing. Im Hintergrund das allergikerfreundliche Elefantengras.

(Foto: Christian Endt)

Helene Noack betreibt einen Stall mit staubfreiem Stroh. Denn auch Pferde leiden an der Atemwegserkrankung. Die Nachfrage ist so groß, dass es bereits eine Warteliste gibt.

Von Johanna Feckl, Poing

Fast verfehlt man die schmale Abzweigung, so unscheinbar ist sie. Nach einigen Metern endet die Teerstraße; es geht auf Schotter weiter. Der Weg ist schmal. Bei zwei sich entgegenkommenden Fahrzeugen müsste eines in die Wiese ausweichen. Schon bald taucht auf der linken Seite ein hochgewachsenes Maisfeld auf. Gegenüber davon ist Helene Noacks Langhof. Der Weg führt vorbei an einer großen Scheune in einen geräumigen Innenplatz. Bisher klingt all dies völlig normal für einen kleinen Pferdehof auf dem Land. Und doch ist etwas ganz anders. Denn hier leben nicht nur gewöhnliche Pferde, sondern auch solche, die an Asthma erkrankt sind.

22 Pferde hat Helene Noack auf ihrem Hof untergebracht. Drei davon sind Asthmatiker. Und wenn die Größe ihres Allergikerstalls es zulassen würde, dann wären es noch mehr: Noack führt bereits eine Warteliste. "Die meisten Pferde mit Asthma hält man einzeln", sagt Noack. Das macht ihren Stall zu einer Rarität.

"Ein Pferd mit Asthma hustet im Extremfall, als ob es jeden Moment ersticken würde", erklärt Noack. Die 33-Jährige spricht aus Erfahrung: Ihr eigene Stute leidet an Asthma. Die Symptome unterscheiden sich nicht von denen asthmatischer Menschen. Manchmal hilft auch bei Pferden nur noch ein herkömmliches Asthmaspray. Eine Dauerlösung sei das aber nicht. Da müsse man schon vor dem Auftreten der Symptome ansetzen, sagt Noack.

Das große und eigentlich einzige Problem für Asthmatikerpferde ist Stroh, das man gewöhnlich als Futter und Einstreu verwendet. Durch die Trockenheit des Strohs sammelt sich Staub an. Wenn die Pferde nun am Stroh schnuppern oder es fressen möchten, atmen sie den Staub ein und der nächste Asthmaanfall lässt nicht lange auf sich warten. Der Clou ist: Bei dem richtigen Umgang mit der Krankheit haben die betroffenen Tiere keinerlei Beeinträchtigungen in ihrem Leben.

Deshalb gibt es in ihrem Allergikerstall kein Stroh als Einstreu. Stattdessen verwendet sie eine Pflanze mit dem Namen Miskantus Giganteus, auch als Elefantenkraut bekannt. Das besondere an ihr ist, dass sie feucht genug ist, sodass sich kein gefährlicher Staub bildet. Ursprünglich kommt die Pflanze aus Japan und ist überaus pflegeleicht: "Kein Düngen, kein Gießen, die wächst einfach!", sagt Noack und zeigt auf die vier bis fünf Meter hohen Pflanzen, die hinter den Offenstallungen wachsen. Das Elefantenkraut erstreckt sich auf einem etwa einem Hektar großen Feld. Jedes Jahr im April rodet sie die komplette Fläche. Die gehäckselten Pflanzen verwendet sie dann als Einstreu.

Elefantenkraut ist aber nicht nur eine gute Lösung bei Asthma. Tatsächlich benötigt Noack lediglich einen Bruchteil der Ernte als Einstreu. Den übrigen Ertrag verwendet ihr Vater als Heizmaterial. "Das ist super ergiebig!"

Helene Noack produziert auch spezielles Stroh

Stroh gibt es für die Asthmatikerpferde aber trotzdem. Allerdings nur als Futter und nur mit Vorbehandlung: Um den Staub im Stroh zu beseitigen, muss der Ballen in Wasser getränkt werden. Das klingt einfacher, als es ist. Früher hat Noack die Ballen mit einem Schlauch abgespritzt. "Das reicht an Feuchtigkeit allerdings bei weitem nicht aus", sagt sie. Dann hat sie sich einen Nagerkäfig besorgt, der passgenau für einen Ballen war. Den Käfig hob sie mitsamt Ballen mühselig ins Wasser. Praktikabel war auch diese Lösung nicht.

Seit einiger Zeit nun benutzt sie einen großen würfelförmigen Tank. Dort füllt sie Wasser ein, in das sie mit Hilfe eines Flaschenzuges ihre Strohballen eintaucht. "Die müssen etwa fünf Minuten drinnen bleiben, damit auch wirklich alles nass ist", erklärt sie, während sie einen Ballen mit routinierten Handgriffen an den Flaschenzug bindet und ihn in den Tank hinablässt.

Poing: Stroh gibt es für die Asthmatikerpferde nur als Futter und nur mit Vorbehandlung.

Stroh gibt es für die Asthmatikerpferde nur als Futter und nur mit Vorbehandlung.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Noacks Strohballen sind wesentlich kleiner, als die großen gerollten, die man zur Erntezeit auf den Feldern sieht. Die wären selbst mit Hilfe des Flaschenzugs nicht mehr zu bugsieren. Denn im Vergleich zu trockenen Ballen wiegen die mit Wasser vollgesogen mindestens das Doppelte. Da kommt man selbst bei einem von Noacks handlicheren Ballen schnell auf 30 Kilogramm pro Stück.

Gegenüber des Stalls für die Asthmatikerpferde hat Noack noch mehr Pferde untergebracht. Sie leben in einem sogenannten Bewegungsstall. "Das besondere dabei ist, dass sich die Tiere eine Distanzstrecke erarbeiten müssen, wenn sie fressen oder trinken möchten", erklärt Noack das Konzept. Auf dem großen Platz hinter dem Gatter ist die Wasserstelle der Pferde. Hier können sich die Tiere auch unterstellen, wenn es ihnen durch Wind und Wetter auf der ansonsten freiliegenden Fläche zu ungemütlich wird. Um zu fressen, müssen die Pferde einen Weg entlanglaufen, der zu einem zweiten Platz führt. "Einfach sind das 350 Meter." So kommen die 16 Pferde in dem Bewegungsstall auf eine ganz schöne Strecke, die sie jeden Tag zurücklegen.

"Eine Haltung im Bewegungsstall ist artgerecht", ist sich Noack sicher. Das Verhalten der Pferde werde dadurch dem von Wildpferden viel ähnlicher, das beobachte sie jeden Tag: Die Pferde galoppierten öfter, liefen meistens in Gruppen zur Trink- und Futterstelle und wirkten freier.

Für manche Pferde ist das wilde Treiben im Bewegungsstall aber zu viel. Deshalb haben die drei Asthmatikerpferde noch drei Pferde als Mitbewohner, die nicht an der Atemkrankheit leiden. "Bis auf einen sind die alle schon über 20 Jahre alt", sagt Noack. "25 bis 30 Jahre, das ist schon ein ziemlich stattliches Alter für Pferde." Im Allergiker- und Seniorenstall geht es ruhiger zu als im benachbarten Bewegungsstall. "Der Allergikerstall ist eben einfach für die Wehwehchen-Pferde", sagt Noack.

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