Poing:Dickes Auftragsbuch

Der Poinger Gemeinderat verabschiedet einen Rekordhaushalt: Bis 2019 steigen die Schulden auf fast 31 Millionen Euro. Doch fraktionsübergreifend besteht Einigkeit, dass die Investitionen nötig sind

Von Barbara Mooser, Poing

Bürgermeister Albert Hingerl (SPD) hat einmal gesagt, er werde nach Altötting pilgern, wenn tatsächlich einmal die Fußgänger- und Radlerunterführung unter der Bahn gebaut würde. Wie es aussieht, wird er in absehbarer Zeit über die Schwelle der Gnadenkapelle schreiten, denn 2018 soll nun der erste Spatenstich für das Projekt gesetzt werden, das Alt- und Neu-Poing verbinden soll. Nicht bekannt ist hingegen, ob der Poinger Bürgermeister auch bei anderen Projekten auf Beistand von ganz oben setzt. Schaden könnte es bestimmt nicht, denn Poing hat sich Gewaltiges vorgenommen - finanziell wie organisatorisch. Das ist bei den Beratungen des Etats für 2017 und des Finanzplans für die folgenden Jahre am Donnerstagabend erneut deutlich geworden.

Denn die Schulden der Gemeinde werden enorm ansteigen, auf fast 31 Millionen Euro werden sie sich 2019 belaufen. Zum Vergleich: Der Landkreis, der ja ebenfalls nicht gerade wenige Aufgaben zu erfüllen hat, hat derzeit 50 Millionen Euro Schulden. Das ist tatsächlich eine ungewohnte Entwicklung für eine Gemeinde, die nicht nur üppige Einnahmen aus der Gewerbe- und Einkommensteuer hat, sondern bisher auch durch Grundstücksverkäufe zusätzliches Geld in die Kasse bringen konnte. Noch Anfang 2015 hatte Poing 22 Millionen Euro Erspartes auf den Konten, dafür so gut wie keine Schulden. Durch die neuen Kredite steigt die Pro-Kopf-Verschuldung, die 2015 gerade einmal bei 36,29 Euro lag auf 1941,30 Euro im Jahr 2019. Das liegt daran, dass nun mehrere infrastrukturelle Großprojekte innerhalb weniger Jahre realisiert werden: der Bau von zwei Grundschulen und zwei Kitas, die Mitfinanzierung einer dritten Kita, die besagte Unterführung, ein neues Schulschwimmbad, um nur die größten zu nennen.

Poing: Einer der Gründe, warum Poing sich hoch verschulden muss: die neue Schule im Neubaugebiet Zauberwinkel. Bereits im Herbst 2017 soll hier Unterricht stattfinden.

Einer der Gründe, warum Poing sich hoch verschulden muss: die neue Schule im Neubaugebiet Zauberwinkel. Bereits im Herbst 2017 soll hier Unterricht stattfinden.

(Foto: Christian Endt)

"Für uns ist der Haushalt nichts anderes als ein dickes Auftragsbuch", sagte Hingerl bei den Beratungen am Donnerstag. Zu diesem Auftragsbuch gehört auch ein Zeitplan, an dem bis auf den Tag genau festgelegt ist, was wann fertig sein muss. Verzögerungen sind bei Neubauten zwar eher üblich als ungewöhnlich, dennoch kann sich Poing keine leisten: Wird das erste Projekt nicht rechtzeitig fertig, gerät auch der Zeitplan für alle weiteren ins Schwanken - mit Folgen, die sich wahrscheinlich kein Gemeindepolitiker gerne ausmalen möchte. Die gute Nachricht ist allerdings: Bis jetzt läuft mit dem Neubau der Grundschule und den Kindertagesstätten im Zauberwinkel alles nach Plan, die Außenarbeiten sind weitgehend abgeschlossen, über den Winter geht es an den Innenausbau. Läuft alles weiter so gut, werden schon im kommenden Schuljahr hier Kinder unterrichtet, und zwar unter anderem die, die eigentlich zum Sprengel der bestehenden Schule an der Karl-Sittler-Straße gehören. Diese nämlich wird dann abgerissen und von Grund auf neu gebaut - das nächste Großprojekt.

Diskussionen über die Mega-Investitionen gab es bei den Haushaltsberatungen nicht. Eva-Maria Saam (CSU) merkte allerdings an, dass die CSU nicht mit allen im Haushalt aufgeführten Maßnahmen einverstanden sei, hier seien noch im Einzelfall Diskussionen nötig. Saam unterstrich zudem, dass sie die Abhängigkeit der Gemeinde von wenigen Großsteuerzahlern beunruhige und mahnte eine aktive Ansiedelungspolitik und ein Wirtschaftskonzept an. Widerspruch kam hier vom Bürgermeister: Hinter den Kulissen werde viel getan, doch Poing habe nur noch wenige mögliche Gewerbeflächen, "die verwalten und behüten wir wie einen Goldschatz". Firmenansiedlungen strebe man dann an, wenn diese auch mit Gewerbesteuerzahlungen und Arbeitsplätzen verbunden seien. "Qualität wird vor Quantität gehen müssen", stimmte Hingerls Fraktionskollege Peter Maier zu.

Die Zahlen

Gesamtvolumen: 69,7

Verwaltungshaushalt: 50,1

Vermögenshaushalt: 19,6

Wichtigste Einnahmen:

Einkommensteueranteil: 12

Gewerbesteuer: 14,1

Grundsteuer B: 2,4

Kita-Zuschüsse: 4,6 Millionen

Investitionszuschüsse: 3,2 Millionen

Größte Investitionen 2017:

Grundschule Zauberwinkel: 6,7

(insgesamt 18,6)

Grundschule Karl-Sittler-Straße: 4,1 (insgesamt 21,7)

Sanierung P&R neue Ortsmitte: 1,5

Schuldenstand:

Ende 2017: 17,8

(2018: 25,9; 2019: 30,9)

Alle Zahlen in Millionen Euro

Maier betonte auch, die anstehenden Ausgaben seien Investitionen in die Zukunft und in nachfolgende Generationen. Weitere Ausgaben werden laut Maier nötig sein, unter anderem müsse die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ein Ziel sein. Günter Scherzl (FWG) unterstrich, dass angesichts der bevorstehenden Aufgaben das Schuldenmachen "keine Schande" sei. Wolfgang Spieth (FDP) kritisierte, dass in den vergangenen Jahren der Haushalt nur durch Erlöse aus Grundstücksverkäufen habe finanziert werden können. Es bestehe ein "strukturelles Defizit", gegen das nichts unternommen werde. Letztlich stimmte allerdings auch Spieth - wie alle anderen Gemeinderäte - dem Rekordhaushalt zu.

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