Poing:Des reichen Mannes letzte Reise

Jedermann, Poinger Inszenierung durch Michael Gütlich, im Bild Werner Schroll und Helga Rebetke (Werke)

Alle Freunde haben ihn verlassen, nur seine "Werke", gespielt von Helga Rebetke, halten zu Jedermann, verkörpert von Werner Schroll.

(Foto: Cornelia Gütlich/oh)

Zum Auftakt der Poinger Kulturtage hat Michael Gütlich mit einer Laientheatergruppe Hugo von Hofmannsthals Mysterienspiel Jedermann inszeniert

Von Rita Baedeker, Poing

Es ist jedes Mal wieder ein schauriger, ein unheimlicher Moment, wenn der dröhnende Glockenschlag ertönt und der Tod seine Stimme erhebt: "Jeeeedermann!" Wenn der Sensenmann hinter den reichen Mann tritt, der - sich in der Mitte des Lebens wähnend -, gerade mit seiner Buhlschaft ein Fest feiert, dann erschrickt nicht nur der Angesprochene bis ins Mark, auch dem Zuschauer fährt der Schreck in alle Glieder. Es herrscht dann Grabesstille auf dem Domplatz, sogar die Vögel im Turm schweigen. . .

Michael Gütlich hat den "Jedermann" mehrmals bei den Salzburger Festspielen gesehen. "Mich hat der Gedanke schon lange umgetrieben, dieses Stück für unsere Poinger Theatergruppe zu inszenieren, aber ich hatte dafür nicht die richtigen Leute." Weil er den Jedermann für die zum zweiten Mal stattfindenden Kulturtage Poing, die am Freitag beginnen, aufführen wollte, hat er vor einiger Zeit ein Casting veranstaltet. "Nun habe ich eine tolle Truppe von Laienschauspielern zwischen 15 und 70 Jahren beisammen", sagt er. "Leider sind wenig Männer darunter, aber einige Hosenrollen kann man problemlos auch mit einer Frau besetzen, zum Beispiel die des Knechts." Die Titelrolle spielt Werner Schroll, die Buhlschaft wird verkörpert von seiner Tochter Cornelia.

"Jedermann", das Spiel vom Sterben des reichen Mannes, stammt aus der Feder von Hugo von Hofmannsthal. Ein englisches Mysterienspiel aus dem 16. Jahrhundert diente ihm als Vorlage: "Everyman. A Morality Play". Anfang Dezember 1911 wurde das Stück in Berlin unter der Regie von Max Reinhardt uraufgeführt. Seit 86 Jahren ist der Jedermann mit ein Höhepunkt bei den von Reinhardt und Hofmannsthal begründeten Salzburger Festspielen.

Trotz seiner Faszination für Salzburg: Am Original des Dichters wollte sich Michael Gütlich nicht orientieren. "Es sind Laien, ich kann also kein hochtrabendes Theater veranstalten, es soll ja jeder(mann) die Texte verstehen." Zum Glück gebe es eine vom Deutschen Theaterverlag herausgegebene Fassung für Laienbühnen von Bernd Klaus Jerofke. Die enthalte nur teilweise Originaltext. "Im Original ist das Stück einfach sehr aufwendig, dafür habe ich hier in Poing weder die Schauspieler noch eine geeignete Bühne." Gütlich hat früher am Gärtnerplatztheater im Bereich Bühnentechnik und Beleuchtung gearbeitet und sich da einiges abgeschaut. Was Technik und Ausstattung betrifft, sind die Möglichkeiten in Poing allerdings deutlich bescheidener. Einen Dom, ideale Kulisse für ein christliches Mysterienspiel, gibt es nicht. Auf der Bühne der Schulaula, die nur etwa fünf bis sechs Meter breit und tief ist, werden dafür Stellwände aufgebaut - Jedermanns Haus. Auch die Kostüme sind schlicht. Der Teufel (Rudi Sedlmeier) trägt Schwarz mit langem roten Umhang, Jedermann ein leuchtend weißes Hemd mit Rüschen, das Kleidungsstück eines begüterten Mannes, der sich Samt und Seide erlauben kann; und die Jedermanns Werke versinnbildlichende Person (Helga Rebetke) wird zur Hälfte in schwarzen, zur anderen Hälfte in weißen Stoff gehüllt.

Neben Jedermann, Gott, Tod und Teufel treten auf: der Mammon, Jedermanns Götze, der Glaube und andere personifizierte Allegorien. Als der Tod kommt, den reichen Mann zu holen, bittet dieser um Aufschub. Er will nicht einsam sterben, will einen Gefährten als Begleiter für die letzte Reise suchen, muss jedoch erfahren, dass ihn weder sein Knecht noch seine Freunde und auch nicht der heiß geliebte Mammon ins Grab begleiten wollen.

Nur seine guten Taten - es sind wenige genug - melden sich zu Wort. Sie sind jedoch zu schwach für die lange Reise und bitten daher den Glauben um Beistand. Die Geschichte ist auch heute ein Lehrstück, geeignet, Jedermann (Jedefrau) nachdenklich zu stimmen und daran zu erinnern, was zählt vor dem höchsten Richter - oder dem eigenen Gewissen: nicht Reichtum, sondern Güte und Vergebung.

"Das Ende der Geschichte ist offen", erklärt Michael Gütlich. Eine so unheimlich-schaurige Atmosphäre wie in Salzburg wird sich in Poing wohl nicht inszenieren lassen. Aber: "Die Truppe entwickelt sich immer besser", fügt er zufrieden hinzu.

Das Stück "Jedermann" von Hugo von Hofmannsthal in der Inszenierung von Michael Gütlich eröffnet am Freitag, 14. Oktober, 19.30 Uhr, die Poinger Kulturtage in der Aula der Grund- und Mittelschule und beendet diese am Sonntag, 23. Oktober, um 18 Uhr, ebenfalls in der Aula. Der Eintritt kostet acht Euro. Auf dem Programm stehen außerdem ein Abend mit Opernmelodien unter dem Titel "Liebe & Eifersucht, Verwirrung, Verwechslung und große Gefühle" am 15. Oktober, 19.30 Uhr in der Aula. Am Sonntag, 16. Oktober, 11 Uhr, ist in der Dreifachturnhalle eine Ballett-Matinee der Ballettschule des Familienzentrums zu sehen. Um 18.30 Uhr trifft man sich in der Poinger Einkehr zu einem Dämmerschoppen bei Jazzmusik mit der Formation " Zebop4". Am Freitag, 21. Oktober, 20 Uhr, gibt die Sopranistin Barbara Sauter einen Liederabend in der Christuskirche, begleitet von Yuko Miura, Klavier, und Pamela Rachel, Geige. "Bei uns dahoam" heißt ein bayerischer Abend mit Poinger Vereinen am Samstag, 22. Oktober, um 19 Uhr in der Schulaula. Karten gibt es im Buchladen im City Center, telefonische Reservierung unter (08121) 716 10.

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