Poing:Der allerletzte Schultag

Im August wird die Grundschule an der Karl-Sittler-Straße in Poing abgerissen. Viele, die hier gelernt und Freundschaften geschlossen haben, werfen noch einmal einen Blick in die alten Räume

Von Barbara Mooser, Poing

Ein Kruzifix ruht auf einem Haufen Bibeln in einer roten Plastikwanne, ein bisschen sieht es aus wie eine Installation in einer Galerie. Im Schwimmbad stehen Tierpräparate zusammengedrängt auf einem Tischchen, daneben sind Plastikboxen mit bunten Deckeln gestapelt. Bald wird eine Spedition alles abholen - jedenfalls alles, was noch zu brauchen ist. Und dann werden auch schon die Abbruchfahrzeuge in der Karl-Sittler-Straße anrücken, um das Gebäude in Trümmer zu legen, in dem die Poinger mehr als 50 Jahre gelernt, gespielt, geturnt und Freundschaften geschlossen haben: die Grundschule im alten Poinger Ortszentrum. Sie hat ausgedient, an gleicher Stelle wird ein moderner Schulbau entstehen.

Gerade haben an diesem Freitag ein letztes Mal Poinger Kinder hier ihre Zeugnisse erhalten, in der Luft liegt noch der typische Schulgeruch aus Kreide und Linoleum. Die Tafeln sind zusammengeklappt, auf ein paar kann man Grußbotschaften lesen. "Ich werde euch in den Sommerferien vermissen", hat eine Lehrerin an ihre 3 a geschrieben. Wenn sie sich als 4 a nach den Ferien wiedertrifft, wird das in nagelneuen Räumen sein, allerdings auch ein gutes Stück entfernt. Sie sind die ersten Kinder, die in die Grundschule im Zauberwinkel einziehen. Dort werden sie bis 2019 übergangsweise bleiben, dann wird - läuft alles nach Plan - die neue Schule in der Karl-Sittler-Straße fertig sein.

Poing Schule Karl-Sittler-Strasse Innenansichten vor Abriss

Hier lernten viele Poinger Kinder schwimmen, bis zum Abriss dient das Becken als Lagerplatz.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auch wenn der alte Schulbau sichtbar in die Jahre gekommen ist - die Poinger hängen daran, viele von ihnen nutzen den "Nostalgietag" am Freitag, um noch einmal durch die Räume zu flanieren und Erinnerungen aufleben zu lassen. Vier Freundinnen, die hier 1963 eingeschult wurden und sich seit der ersten Klasse kennen, haben sich verabredet, um sich gemeinsam von der alten Wirkungsstätte zu verabschieden. Gern sei sie hier zur Schule gegangen, erzählt eine der Damen, einer ihrer Lieblingsorte war die Bücherei: "Weil ich eine Leseratte bin und Bücher teuer waren." Michael Krach vom Jugendreferat der Gemeinde pendelt zwischen den Besuchern hin und her, um für sie genau die Räume aufzusperren, in denen sie einen Teil ihrer Kindheit verbracht haben. "Die Garderobe, die Tische - genauso wie früher", staunt Brigitte Lechner, die zu den ersten Jahrgängen gehörte, die Anfang der Sechzigerjahre aus der alten Schule - sie stand dort, wo heute das Rathaus zu finden ist - in den Neubau zog. Die Erinnerungen der 68-Jährigen sind schön, an den Schulchor mit Anni Pickert etwa oder an die nachmittäglichen Handarbeitsstunden. Damals, sagt sie, sei Poing noch ein richtiges Dorf gewesen, "jeder kannte jeden". Doch auch heute fühlt sie sich in der Gemeinde noch sehr wohl.

In der Familie von Clemens Badschneider hat so ziemlich jeder hier mal die Schulbank gedrückt, zuletzt die beiden Töchter, die künftig im Zauberwinkel zur Schule gehen. Er selbst erinnert sich besonders gern an das Schwimmbad; nach 16 Uhr konnte hier jeder für 50 Pfennig den Badespaß genießen. Auch ein anderes Grüppchen steht an diesem Nachmittag am Schwimmbad, das schon ein paar Jahre vor der Schule selbst stillgelegt wurde und mit rot-weißen Barrieren abgesperrt ist. Einer der Besucher erzählt von dem markanten Chlorgeruch, für den das Bad bekannt war. Wahrscheinlich habe man deshalb heute so faltige Gesichter, sagt einer und lacht. Ein anderer erzählt Geschichten von einer bestimmten Klasse, die sich im Bad einfach nicht zu benehmen wusste - und alle sind sie sich einig, dass sie lieber nicht so genau wissen wollen, was in dem Wasser oft so drin war.

Poing Schule Karl-Sittler-Strasse Innenansichten vor Abriss

Mauerspechte am Werk: Die Kinder haben sich zur Erinnerung Teile aus dem alten Schulhaus gehackt.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Überall im Haus zieren bunte Bilder und Handabdrücke die Wände, mit denen sich die Kinder zum Abschied verewigt haben. Eine Klasse hat ihre eigenen Konterfeis als Motiv gewählt. Dazwischen klaffen große Löcher in den Wänden - hier durften sich die Kinder als Mauerspechte betätigen und ein Stück ihrer alten Schule als Souvenir mitnehmen. Im Rektorat versüßt man sich das Packen mit dem letzten Steckerleis aus dem Kühlfach. Rektorin Tanja Markefka läuft mit ihrem Hund im Gefolge durch das Haus, um noch hier und dort letzte Dinge zu erledigen. Ein bisschen, sagt sie, sei die Luft jetzt raus, die Kinder und Lehrer hätten sich eh schon bei einem großen, bunten Fest von den alten Räumen verabschiedet. Eines freue sie aber, sagt sie: "Fast jedes Kind hat sich ein Stück seiner alten Schule mitgenommen."

Es gibt noch eine letzte Gelegenheit für die Poinger, sich ein Andenken an die Schule zu sichern: Beim Entrümpelungstag am Freitag, 4. August, kann nach Absprache mit den Mitarbeitern des Bauamtes von 8 bis 12 Uhr kostenlos nicht mehr benötigtes Mobiliar in der Schule ausgesucht und mitgenommen werden. Bis 12 Uhr müssen die Gegenstände abtransportiert sein.

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