Poing:Abschied von zwei Hallen

Poing: Der Marktplatz hat in seiner Optik noch reichlich Potenzial. Nicht unbedingt schön, aber wenigstens praktisch ist, dass eine öffentliche Toilette errichtet werden soll.

Der Marktplatz hat in seiner Optik noch reichlich Potenzial. Nicht unbedingt schön, aber wenigstens praktisch ist, dass eine öffentliche Toilette errichtet werden soll.

(Foto: Christian Endt)

Poing hält seine Bürgerversammlung zum letzten Mal vor dem Abriss in der alten Grundschule ab. Die Tragluft-Unterkünfte in der Gemeinde sind bereits geräumt - die Polizei zieht eine durchwachsene Bilanz

Von Korbinian Eisenberger, Poing

Die Kinder-Turnschuhe stehen noch im Schrankerl, bis Herbst können die Buben und Mädchen der Grundschule an der Karl-Sittler-Straße noch in ihrer alten Halle herumlaufen. Einer, der hier in den Siebzigerjahren selbst die Sportschuhe schnürte, steht an diesem Abend in Jackett und Krawatte am Rednerpult. "Vor 40 Jahren habe ich hier noch selber Fußball gespielt", sagt Albert Hingerl, einst Ballsportler, nun Bürgermeister von Poing. Vor dem Abriss im Herbst soll es nochmal einen "Nostalgietag" geben. "Da kann jeder ein letztes Mal in sein altes Klassenzimmer", sagt Hingerl. Nur dass eben keine Noten mehr verteilt werden.

Würde man der Gemeinde Poing eine Zensur für das Jahr 2016 geben, wahrscheinlich läge man irgendwo zwischen zwei und drei, je nachdem wie streng der Lehrer bei der Bewertung wäre. Poing hat einen erheblichen Schuldenberg geplant, da gab es für den Rathauschef auf der Bürgerversammlung am Donnerstagabend nichts zu beschönigen, auch, weil sie die Kredite im Gemeinderat fraktionsübergreifend für nötig halten. Bis Ende 2019 sollen die Schulden auf fast 31 Millionen Euro steigen. "Das ist schlichtweg nötig, damit wir wichtige Investitionen tätigen können", sagte Hingerl.

Poing wächst schneller als jeder andere Ort im Landkreis Ebersberg, auch deshalb sind Projekte wie der Bau einer neuen Grundschule nötig. Weitere Investitionen sollen in den Marktplatz fließen, der soll attraktiver werden und eine öffentliche Toilette bekommen. Weitere Projekte, so Hingerl, seien ein Mehrgenerationen-Spielplatz, außerdem muss Poing die Probleme mit den Radwegen im Ort in den Griff bekommen; "Wir hatten zuletzt viel Ärger wegen der Radwegnutzung", so Hingerl. Poings Radler mussten stellenweise für Wochen auf die Straße ausweichen, was der Gemeinde Kritik einbrachte.

Vom Radweg kam es dann doch wieder auf das Thema Halle, diesmal ging es aber nicht um die Grundschule, sondern um die Flüchtlings-Unterkünfte in Grub und Pliening. Wie sonst auch war Poings Polizeichef Helmut Hintereder gekommen, um seinen Jahresbericht vorzustellen, er kam mit ein paar Minuten Verzögerung, nebenan in Pliening hatte es am frühen Abend eine Demonstration gegen eine AfD-Veranstaltung gegeben. Hintereder hatte Zahlen aus dem vergangenen Jahr mitgebracht, aus Poing, aber auch aus Pliening, jene beiden Gemeinden, in denen das Ebersberger Landratsamt bis Frühjahr knapp 200 Flüchtlinge in zwei Traglufthallen untergebracht hatte. Dieses Thema interessierte die Gäste der Poinger Bürgerversammlung besonders, es kamen mehrere Nachfragen auf.

Auffällig an der Polizeistatistik: Die Kriminalität von Zuwanderern ist 2016 stark angestiegen, "um 50 Prozent", so Hintereder. Was nach viel klingt, liest sich nach einer Erklärung aber recht plausibel: Die Straftaten passierten nicht auf der Straße, im Wirtshaus oder auf dem Fußballplatz, "sondern fast ausschließlich in Unterkünften", sagte Hintereder. Demnach sind 75 Prozent der Opfer selbst Zuwanderer, von den 30 weiteren Geschädigten waren 15 Security-Mitarbeiter oder Polizisten, die in Asylheimen im Einsatz waren. SZ-Recherchen hatten im Sommer ergeben, dass es einen direkten Zusammenhang der Art der Unterbringung zu den Einsatzzahlen der Polizei gibt. In kleinere Unterkünfte (wie etwa am Markt Schwabener Erlberg, wo 50 Personen wohnten) musste die Polizei kaum ausrücken - in größeren, wie in Grub und Pliening hingegen sehr oft, die Zustände dort wurden von Helfern immer wieder kritisiert. Die Traglufthallen in Pliening und Grub wurden von Anfang 2016 an im Wechsel bezogen und sind mittlerweile geräumt.

Wie geht es weiter? Antworten gab Götz Kirchhoff vom Poinger Helferkreis nach einem Lob des Bürgermeisters für die "hervorragende Arbeit" der ehrenamtlichen Helfer. Kirchhoff berichtete, dass vor zwei Wochen 50 Menschen, viele von ihnen ehemalige Traglufthallen-Bewohner, in die neu aufgestellten Container-Anlagen in Grub eingezogen sind. Fast unmerklich ist es in den vergangenen Wochen ruhiger geworden um die Flüchtlinge im Landkreis Ebersberg. Es geht jetzt nicht mehr um die Organisation von Deutsch-Stunden, "das übernehmen die Integrationskurse", so Kirchhoff. Hilfe werde aber beim Ausfüllen von Bewerbungen und Amtsdokumenten benötigt. "Wir sind nach wie vor dankbar um Unterstützung", sagt Kirchhoff, der mit den Helferkreisen aus Pliening und Markt Schwaben kooperiert, "wir unterstützen uns über die Gemeindegrenzen hinweg".

Grenzen helfen einem nicht zwangsläufig weiter, und so verkündete der Bürgermeister am Ende noch die Botschaft, dass die Bierprobe für das Poinger Volksfest nicht wie sonst innerhalb der Gemeinde, sondern in Markt Schwaben stattfinden soll - eine Grenzüberschreitung, bei der keine Polizei ausrücken muss.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: