Pliening:Razzia am "Regierungssitz"

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250 Polizisten durchsuchen am Dienstagvormittag 15 Wohn- und Geschäftsräume von so genannten "Reichsbürgern", darunter auch ein Haus in Pliening

Von Anselm Schindler, Pliening

Normalerweise geht Monika S. zwischen 15 und 17 Uhr an ihr Telefon, wenn es klingelt. Denn nachmittags hat die "Zentrale Verwaltung" des "Bundesstaates Bayern" Sprechstunde. Doch an diesem Dienstagnachmittag spricht am anderen Ende der Leitung nur die Mailbox. Wenige Stunden zuvor, Dienstagvormittag, klingelt die Polizei am "Regierungssitz" der selbsternannten bayerischen Verwaltung in der Gemeinde Pliening, dem Wohnhaus von Monika S. Die Beamten haben einen Durchsuchungsbeschluss dabei.

Sie kommen wegen Phantasiedokumenten, Führerscheinen, Ausweisen und anderen Dokumenten der selbsternannten "administrativen Regierung des Bundesstaates Bayern". Der Vorwurf ,den die Staatsanwaltschaft München II erhebt, lautet Urkundenfälschung. Doch die Polizeibeamten, die 15 Wohnungen und Geschäftsräume der "Regierung" und ihrer Anhänger durchsuchen, finden neben den von der "Regierung" ausgestellten Dokumenten in einem Teil der durchsuchten Objekte auch Waffen. "Darunter Schusswaffen, Schreckschusswaffen, Munition und Schlagstöcke", erklärt Andrea Tittmann, Sprecherin des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord.

Ob auch bei Monika S. Waffen gefunden wurden, kann Tittmann nicht sagen, auch ein Anruf bei der Erdinger Kriminalpolizei gibt darüber keinen Aufschluss: Ergebnisse würden erst öffentlich gemacht, wenn das gefundene Material gesichtet sei, und das könne einige Tage dauern, erklärt der Erdinger Kriminalhauptkommissar Reinhold Buchner. Die Erdinger Kripo leitete am Dienstagvormittag die Durchsuchungsaktion, denn in Pliening hat die "Regierung" des "Bundesstaates Bayern" ihren selbsternannten Sitz. Darüber hinaus durchsuchen die Beamten auch Räume in Eitting im Landkreis Erding sowie in Gemeinden in Unter- und Mittelfranken, Schwaben sowie in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Beteiligt sind an den Durchsuchungen rund 250 Einsatzkräfte.

Der "Bundesstaat Bayern" wird von der Staatsschutzabteilung der Erdinger Kripo der gemeinhin als "Reichsbürger" bekannten Bewegung zugeordnet, eine uneinheitliche Szene, deren Spektrum von Verschwörungstheoretikern bis hin zu Neonazis reicht. Die verschiedenen "Reichsbürger"-Organisationen eint, dass sie die Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennen und behaupten, Deutschland sei immer noch besetzt.

Begleitet werden die Beamten bei den Hausdurchsuchungen auch von Spezialeinheiten, "spätestens seit Georgensgmünd weiß man ja, wie gewalttätig die sind", erklärt Polizeisprecherin Tittmann deren Einsatz. Im Oktober hatte ein "Reichsbürger" in dem mittelfränkischen Ort auf Polizisten geschossen, einer starb, mehrere wurden zum Teil schwer verletzt.

Ein Haus in Landsham im Jahr 2017. Hier hat ein SEK-Einsatz gegen einen Reichsbürger stattgefunden. Auf dem Briefkasten das Logo der Reichsbürgerbewegung und die Beschriftung "Zentrale Verwaltung Bundesstaat Bayern Poststelle zu Landsham". (Foto: Matthias Balk/dpa)

In der Gemeindeverwaltung von Pliening will sich niemand zu dem Einsatz äußern, Bürgermeister Roland Frick (CSU) ist gerade im Urlaub. Frick hatte in den vergangenen Jahren schon öfter mit der selbsternannten Regierung zu tun, drei Mal haben Vertreter der Organisation bereits bei ihm vorgesprochen. Sie haben ihm Bücher vorbeigebracht - und sie versuchten, ihre Ausweise bei ihm abzugeben - die Ausweise des Staates, dessen Existenz S. und ihre Mitstreiter leugnen.

Gegen die Plieninger "Regierung" und ihre Anhänger liege der Verdacht der banden- und gewerbsmäßigen Urkundenfälschung vor, erklärt Polizeisprecherin Andrea Tittmann. Monate- wenn nicht jahrelang hat die Organisation Dokumente ausgestellt, darunter Staatsangehörigkeitsausweise, Heimat- und Führerscheine. Von ihren Anhängern verlangte die "Regierung" für die Ausstellung der Dokumente auch Bearbeitungsgebühren. Die Staatsanwaltschaft München II hatte bereits vor einigen Wochen ein Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der bayerischen Reichsbürgerorganisation eröffnete.

Verfahren laufen in diesem Zusammenhang gegen insgesamt 16 Personen, sieben von ihnen werde vorgeworfen, die Phantasiedokumente verkauft zu haben, dem Rest, sie erworben zu haben, erklärt Sprecherin Tittmann. Auch der Erwerb der Dokumente ist bereits strafbar. Einem Teil der Verdächtigen wird zudem versuchte Erpressung, versuchte Nötigung und Amtsanmaßung vorgeworfen.

Anhänger von Reichsbürgerorganisationen fielen immer wieder dadurch auf, dass sie Briefe und Faxe mit Schadensersatzforderungen an die Behörden sendeten, erklärt Ken Heidenreich von der Staatsanwaltschaft München II. Auch drohten "Reichsbürger" Mitarbeitern von Behörden immer wieder mit Klagen. Ob das im Fall der Plieninger "Regierung" und ihrer Anhänger auch der Fall sei, müsse aber erst noch geprüft werden, so Heidenreich.

© SZ vom 08.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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