Pliening:Kurz und schmerzvoll

AFD in Pliening

Gut 50 Interessierte kamen zur AfD nach Pliening.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

AfD-Politiker Martin Hohmann erläutert in Pliening seine Sicht der Geschichte

Von Victor Sattler, Pliening

"Einzigartig" steht im Duden nur wenige Zeilen über "entsetzlich" oder "erschreckend". AfD-Mitglied Martin Hohmann wählte für seine Rede am Donnerstag im Plieninger Bürgerhaus aber ersteres: Er benannte den Holocaust als "einzigartig", als das "einzigartige Verbrechen Judenvernichtung." Diese Wortwahl ist insofern verwunderlich, da seine folgenden Vergleiche darauf abzielten, das Verbrechen kaum mehr als einzigartig, sondern als gewöhnlich darzustellen. Draußen vor der Tür unterstellen Demonstranten Hohmann, dass er ein ganz anderes Adjektiv meint: Entschuldbar.

Einmal in Fahrt, brauchte der 69-Jährige nicht lang bis zu seinem Fazit. Dafür trat er mit Verspätung auf, als die meisten der rund 50 Parteifreunde schon Schweinsbraten und Weißbier vor sich hatten. Zwischen zwei Bissen begannen sie zu raunen: "Ist er's? Der da?" Vorausgeeilt war Hohmann nicht sein Gesicht, sondern sein Ruf. Aus der CDU ausgeschlossen, damit "vom Paradepferd Politik abgeworfen", wie er sagt, "und zum Antisemiten hochgejubelt", half ihm die AfD zurück in den Sattel. Ein halbes Jahr lang suchte sie im Landkreis nach einer Bühne für Hohmann - nachdem die Gastwirte sich verweigerten, überließ die Gemeinde Pliening der AfD ihr Bürgerhaus, auch dagegen wurde vor der Tür protestiert.

Nun kam Hohmann von seinem eigenen Thema ab: Er kündigte zwar "den deutschen Schuldkomplex" an, machte um deutsche Schuld aber einen Bogen, indem er vom Ende des Ersten Weltkriegs ans Ende des Zweiten sprang. "Ich will ja nur Schlaglichter geben, sonst schlafen mir alle ein", erklärte er. "Eine Rede muss kurz und schmerzvoll sein." Die Verbrecher sind für Hohmann die Briten, die stets neidisch auf das Deutsche Reich gewesen seien, die Polen, die sich als "Christus unter den Völkern" sahen, sowie die Siegermächte, die Deutschland nach dem Krieg geknebelt und die Altparteien zu ihren "Hofschranzen" gemacht hätten.

Nur vor einer Gruppe hütete sich Hohmann wohlfeil: "Dieser Bevölkerungsgruppe", wie er sagt, hatte er 2003 seine Liste an Verbrechen vorgelesen und wurde dafür kritisiert. Juden fanden folglich diesmal keinen Einlass in seine Rede, nicht einmal das Wort. Er ermahnte die Presse, dass die Behauptung, er habe "diese Bevölkerungsgruppe als Täter bezeichnet", schwere juristische Konsequenzen hätte. Man musste Hohmann aber genau zuhören: So sagte er, die Oktoberrevolution sei kausal mit dem Nationalsozialismus verbunden und habe ihn bedingt. Und die entscheidende Beteiligung der Juden an der Oktoberrevolution hatte er ja bereits 2003 beschworen. Ist die implizierte Schlussfolgerung am Ende gar, dass die Juden Mitschuld am Holocaust tragen?

Geschichtsstunden sind zäh, egal wie großzügig man Lücken reißt. Entsprechend lang waren die Gesichter im Plieninger Bürgerhaus-Stüberl anfangs noch, als Hohmann von 1870 sprach, der fernen Zeit, in der es hier nur pure "Bio-Deutsche" gegeben hätte und keine Flüchtlingsströme. Größer wurde das Interesse mit zunehmendem Unmut über das heutige Deutschland: "Wir wären ein glücklicheres Land ohne diese Schuldvermutung, die von der Linken und den Medien bewirtschaftet wird", versprach Hohmann. Da stimmte das Publikum mit ein. Schuld an der Lage seien vor allem zwei "brennend ehrgeizige und machtbesessene" Frauen: Kanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Erstere wurde als "linke Pflanze" gerügt, die ihre Politik "dort drüben" in der DDR gelernt hätte. Falls Hohmann einen persönlichen Groll gegen seine ehemalige Parteichefin hegt, dann kann er es schlecht verbergen.

Ansonsten ist Martin Hohmann aber geschickter geworden seit 2003. Auf seinem Buffetteller sind es kleine Beilagen, an denen man sich verschluckt: Wir haben den Holocaust "gewissermaßen bereut", sagt er etwa zögernd. Oder "Wahrheit macht frei, frei von Merkel" - eine Anspielung, die fast unterging. Nachdem die eifrigen Wortmeldungen Hohmann noch zustimmten, kritisierte ihn Versammlungsleiter Christoph Birghan. Man wolle nicht mehr über das leidige Thema sprechen. Und fragte dann in den Raum, ob solche Veranstaltungen da nicht kontraproduktiv seien.

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