Pliening:Aufstand der Engagierten

Pliening Traglufthalle Flüchtlinge - Asyl

70 Freiwillige haben sich anfangs um die 220 Bewohner der Traglufthalle in Pliening gekümmert. Inzwischen sind es nur noch 40. Viele seien frustriert von der Zusammenarbeit mit den Behörden, heißt es.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Helferkreise in Pliening und Poing boykottieren die Einladung des Landtags, weil sie sich von der Politik nicht angemessen unterstützt sehen. Sie halten viele Regelung im Umgang mit Flüchtlingen für sinnlos.

Von Alexandra Leuthner, Pliening

"Wir haben auch abgesagt." Die Aktiven des Plieninger Helferkreises halten nichts davon, sich beim Empfang des Landtags an diesem Samstag für ihr Engagement ehren zu lassen, und reihen sich damit ein in eine Phalanx aus Helferkreisen in ganz Bayern, die Landtagspräsidentin Barbara Stamm einen Korb gegeben haben.

"Die Strukturen sind nicht da, die ganze Organisation ist unkoordiniert und chaotisch, und die Maßnahmen werden auch noch chaotisch umgesetzt", sagt Konrad Weinstock-Adorno, Sprecher des Plieninger Helferkreises. Seit Mai kümmern sich die Freiwilligen - 70 anfangs, jetzt nur noch 40 - um die etwa 220 Flüchtlinge, die in der Plieninger Traglufthalle untergebracht sind. Die ungefähre Zahl, die Weinstock-Adorno und der zweite Sprecher, Gemeinderat Stefan Seizl, bei einem Gespräch nennen, ist dabei schon Ausdruck eines der Probleme, mit denen die Helfer zu kämpfen haben.

Am Anfang seien sie gar nicht informiert worden, wer, wann in der Traglufthalle ankomme. "Wir haben keine Listen bekommen", sagen die beiden Sprecher. Oder die Listen seien unvollständig gewesen. Als nach und nach Flüchtlinge aus anderen Einrichtungen im Ebersberger Landkreis in die Plieninger Halle verlegt wurden, habe es mal geheißen, der Helferkreis solle sich um die Ummeldungen kümmern, dann wieder wollten hätten Mitarbeiter des Landratsamts das übernehmen sollen.

Das Problem mit den Nummern

Eine Liste mit etwa 20 Namen habe man schließlich im Auftrag des Landratsamts von der Security zugesteckt bekommen, die in der Traglufthalle Dienst schiebt. Die Sicherheitsleute wenigstens, mit denen der Helferkreis nach eigenen Worten gut zusammenarbeitet, bekämen Bescheid, wer in den Schlafkabinen in der Unterkunft untergebracht sei.

Ein großes Problem seien die unterschiedlichen Nummern, die ein Flüchtling im Lauf seiner Odyssee durch Deutschland erhalte. "Vom BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Anm.d.Red.) gibt es eine Nummer, vom Landratsamt wieder eine, von der Ausländerbehörde eine andere. Da kennt sich keiner mehr aus, und die Namen werden so oft falsch geschrieben", sagt Seizl.

Zu guter Letzt fehle bei den Angaben, die dem Helferkreis zur Verfügung gestellt würden, die Nationalität. "Wir sollen den Flüchtlingen helfen, sich umzumelden, Sprachkurse zu beantragen, Papiere zu verlängern, bekommen aber keine Informationen", schimpft Weinstock-Adorno. Letztlich führe all dies dazu, dass auch das BAMF manche Flüchtlinge nicht mehr finde. Einladungen zum Asylgespräch könnten nicht oder nur zu spät zugestellt werden, und der Asylbewerber gelte dann schnell als nicht kooperativ.

20 Prozent der Flüchtlinge kann Deutsch, der Rest kann gar nichts

Als die Flüchtlinge von Kirchseeon nach Pliening verlegt worden waren, hätten Kirchseeoner Helfer ihnen die Post nachgetragen. "Es ist sehr gut, dass das Landratsamt nun eine Migrationsbeauftragte hat", aber nicht mal die bekomme alle Informationen. "Die Agentur für Arbeit hat bei uns angerufen und gefragt, welche Flüchtlinge in Pliening sind."

Den Kern des Übels sehen die Verantwortlichen allerdings nicht beim Landratsamt, wenn sie auch die Umsetzung mancher Regelungen dort kritisieren. "Da ist überall der Datenschutz davor", schimpft Stefan Seizl, "und hinter dem kann man sich gut verstecken." Dabei müsse man sich doch fragen, ob für einen Flüchtling der gleiche Datenschutz gelten müsse wie für einen Bundesbürger. "Dort wo die meisten herkommen, gibt es keinen Datenschutz für sie, da gibt es noch nicht einmal einen Schutz für ihr Leben."

Es sei absurd, von den Menschen zu erwarten, komplizierte Behördengänge selbst erledigen zu können, "vielleicht 20 Prozent können ein bisschen deutsch, der Rest gar nichts, oder es sind Analphabeten." Also bleibe das alles an den Helfern hängen, die sich aber immer wieder von willkürlich anmutenden Behördenentscheidungen ausgebremst sehen. Ein Beispiel erzählt Weinstock-Adorno. So habe eine Helferin vier Iraker in der Vorwoche zum Landratsamt gefahren, um deren Ausweispapiere verlängern zu lassen, die am Montag, dem Feiertag, fällig sind.

Auch die Poinger boykottieren den Empfang im Landtag

Bei einer Mitarbeiterin sei das problemlos geschehen, eine andere aber habe Helferin und Flüchtlinge wieder weg geschickt, mit dem Hinweis, sie sollen nächste Woche wiederkommen, weil die Ausweise dann erst abliefen. "Sie nimmt sich extra Zeit, dahin zu fahren", sagt Weinstock-Adorno, der dafür wenig Verständnis hat. "Wenn all diese Dinge wegfielen, hätten wir Zeit, uns wirklich um die Flüchtlinge zu kümmern."

Zumindest sind die Plieninger Ehrenamtlichen mit ihren Sorgen nicht allein. Ganz ähnliche Erfahrungen hat der Helferkreis Poing gemacht, die Organisationen der Nachbargemeinden sind in stetem Kontakt. Auch die Poinger boykottieren den Empfang im Landtag, sie haben stattdessen ein Solidaritätsschreiben an den Verein "Integrationshilfe Lläuft" verfasst, der für diesen Samstag in Landsberg zu einer Protestdemonstration gegen die Integrationspolitik in Bund und Land aufgerufen hat.

"Helferkreise brauchen dringend mehr Spielraum, Budget und bessere Zusammenarbeit mit und zwischen allen staatlichen Stellen", heißt es in dem Schreiben. Das können Weinstock-Adorno und Seizl nur unterstreichen.

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