Pflegeheim:Transponder bieten Demenzkranken mehr Freiheit

Pflegeheim: Klaus Honigschnabel, Günther Bauer und Jan Steinbach, der Leiter des Reischlhofs (von links), führen die Transpondertechnik vor.

Klaus Honigschnabel, Günther Bauer und Jan Steinbach, der Leiter des Reischlhofs (von links), führen die Transpondertechnik vor.

(Foto: Christian Endt)

Als erste Einrichtung im Landkreis führt der Ebersberger Reischlhof bei der Pflege von Demenzkranken eine neue Transpondertechnik ein: Alle Türen bleiben offen - können sich im Bedarfsfall jedoch verschließen.

Von Anja Blum, Ebersberg

Einen Meilenstein in der Altenpflege hat der Reischlhof in Ebersberg nun gesetzt: In dem evangelischen Pflegeheim kommt seit Mitte März eine neue Transpondertechnik zum Einsatz, die scheinbar Gegensätzliches vereint. Sie bietet für Demenzkranke sowohl mehr Freiheit als auch mehr Sicherheit.

Sie ermöglicht nämlich, dass grundsätzlich alle Türen offen bleiben, sich jedoch selektiv, also im Bedarfsfall, verschließen. Der Träger der Einrichtung, die "Hilfe im Alter", eine gemeinnützige GmbH der Inneren Mission München, hat mit der Innovation am Reischlhof ein Pilotprojekt gestartet, Kostenpunkt: 80 000 Euro. Im Ebersberger Landkreis ist das System ein Novum.

Demenz variiert in ihrer Ausprägung je nach Betroffenem

"Demenz ist unsere größte Herausforderung", sagt Gerhard Prölß, Geschäftsführer der Hilfe im Alter. Und mit ihr einher geht stets eine gewisse Orientierungslosigkeit - von leichten bis hin zu schweren Formen. Manche Betroffene verlaufen sich ab und an, andere wissen überhaupt nicht mehr, wo sie sich befinden, dazwischen gibt es alle möglichen Abstufungen. Auf dieses Spektrum variabel zu reagieren, ist für Pflegeheime nicht leicht, auch im Reischlhof gab es bislang nur zwei Varianten der Unterbringung: entweder im beschützenden Bereich, also einer Station mit stets verschlossener Tür - wofür ein richterlicher Beschluss notwendig ist, oder auf einem der offenen Stockwerke.

"Doch seit etwa zwei Jahren beobachten wir einen neuen Trend, nämlich viele Anfragen für Patienten mit einer möglicherweise beginnenden Orientierungsschwäche, wo also nicht ganz klar ist, ob eine Gefahr besteht oder nicht", erklärt Einrichtungsleiter Jan Steinbach. In solchen Fällen hegten die Angehörigen freilich den Wunsch nach Sicherheit - "aber ein Gefängnis soll es auch nicht sein". Deshalb habe man sich auf die Suche gemacht nach einem System, mit dem man diesem Bedarf gerecht werden könne, und sei bei der Firma Minos Sicherheitstechnik in Polling fündig geworden.

Antennen, Transponder und Schlüsselanhänger

Die Anlage besteht aus Antennen, die im Boden vor den Türen eingebaut wurden, aus Transpondern, die am Fußgelenk von desorientierten Bewohnern befestigt werden, sowie aus sogenannten Bypässen, kleine Schlüsselanhänger, die verriegelte Türen wieder öffnen können. Außerdem ins System integriert sind Mobiltelefone des Personals: Sie schlagen Alarm, wenn ein Unberechtigter durch eine Tür gehen sollte. Die Pflegekräfte wissen dann, dass Herr XY eben Stockwerk Z verlassen hat.

In der Praxis funktioniert das Ganze so: Grundsätzlich sind alle Türen offen. Tritt ein zu beschützender Bewohner davor, so verschließen sie sich. Trotzdem ermöglicht das neue System diesen Patienten mehr Bewegungsspielraum, denn nun können sie sich auch in anderen Bereichen des Hauses aufhalten, sei es, um eine Freundin, die Cafeteria oder einen Gottesdienst zu besuchen.

Jeder Patient kann in seinem Zimmer wohnen bleiben

Dazu muss ihnen nur jemand die Türe öffnen, und das kann eine Pflegekraft, aber auch ein Angehöriger sein. Einen erheblichen Vorteil sieht Geschäftsführer Prölß auch darin, dass nun keine Umzüge mehr nötig sind: Jeder Patient kann sein gewohntes Zimmer behalten, auch wenn seine kognitiven Fähigkeiten sich verschlechtern. Bislang mussten betroffene Bewohner in den beschützenden Bereich oder, wenn dieser belegt war, gar in eine andere Einrichtung verlegt werden.

Besonders eignet sich das neue System aber auch für Menschen, deren Orientierungssinn zeitweise fraglich ist. "Das ist gerade bei Neuzugängen oft der Fall, weil die unbekannte Umgebung zu einer gewissen Verwirrung führen kann", erklärt Steinbach. In solchen Fällen werde der Transponder so programmiert, dass die Türen nicht automatisch schließen, sondern nur eine Mitteilung ans Personal gesendet wird: Frau XY hat ihre Station oder das Haus verlassen. "So können wir das Bewegungsverhalten beobachten und individuell entscheiden, ob es in Ordnung ist, wenn diese Dame alleine einkaufen geht." Etwa die Hälfte der 49 Bewohner tragen den Transponder derzeit, 15 davon leben im beschützenden Bereich.

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