Partnerschaftsjubiläum:25 Jahre im Geiste Europas

Vertreter von Saint-Marcellin und Grafing beschwören die Bedeutung ihrer Freundschaft für den Frieden

Von Alexandra Leuthner, Grafing

Man hätte meinen können, man sei auf einer Plaza irgendwo in Südeuropa, vielleicht ja an einem sonnigen Fleckchen im südöstlichen Frankreich. Dort, aus der Gegend um Grenoble, kommen sie her, die etwa 100 französischen Gäste, die gemeinsam mit ihren Gastfamilien in die Stadthalle geladen waren und dazu beitrugen, dass im Dreieck zwischen Gymnasium, Volksfestplatz und Stadthalle an diesem frühlingshaften Freitagabend aufs Schönste gefeiert, flaniert und parliert wurde.

Ein Besuch auf dem Volksfest gleich gegenüber sollte am Samstagabend auch noch auf dem viertägigen Programm der Gäste aus Grafings Partnerstadt Saint-Marcellin stehen. Der Festakt zum 25-jährigen Jubiläum der Städtepartnerschaft war aber zunächst mal einer - von angemessenem Ernst getragenen - Rück- und Vorausschau auf die gemeinsame Geschichte und Zukunft gewidmet. Was nicht heißen soll, dass nicht auch ordentlich gefeiert wurde - so wie es ist, wenn eine große Familie zusammentrifft, die Saint-Marcellins Bürgermeister Jean-Michel Revol beschwor. "Deutschland und Frankreich, Grafing und Saint-Marcellin bilden nicht mehr einfach nur ein Paar: Unsere beiden Länder, unsere beiden Städte bilden eine Familie, und die Kinder sind Geschwister."

28 von ihnen, Kinder und Jugendliche zwischen neun und 16 Jahren aus Saint- Marcellin sorgten dafür, dass überall vor und im Saal auf französisch und deutsch gerufen und gespielt wurde. Und schließlich seien es ja die jungen Leute, die das Vermächtnis der deutsch-französischen Freundschaft weitertragen sollen - in diesem Appell an die nächste Generation waren sich die Redner des Abends einig, die Vorsitzende der Partnerschaftskomitees Jean Briselet und Udo Helmholz, der Initiator der Verbindung, Adalbert Mischlewski, ebenso wie die Stadtoberhäupter, Jean-Michel Revol und Angelika Obermayr.

Dass ihre Texte jeweils in die Sprache der Gäste oder der Gastgeber übersetzt und an die Wand projiziert wurden, war ebenso ein sichtbares Zeichen dafür, dass die beschworene Botschaft angekommen ist, wie der gemeinsame Auftritt der Musiker aus beiden Orten, die sich abschließend zum gemeinsamen Spiel der Hymnen zusammen taten. "Immer ein Moment, der Gänsehaut macht", hatte der Grafinger Stadtrat Christian Einhellig zuvor gesagt, der als Tubaspieler der Stadtkapelle Grafing mit den französischen Musikern von La Lyre auf die Bühne durfte.

Festabend 10 Jahre St. Marcellin - Festakt

Bürgermeister Jean-Michel Revol überreicht Angelika Obermayr ein Gastgeschenk.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Kennenlernen der gegenseitigen Geschichte und Kultur habe zu einem Miteinander geführt, das der Jugend ermögliche, Freundschaften mit Nachbarn zu schließen, sich mit ihnen über Hobbies und Vorlieben auszutauschen, sagte Briselet. Mittlerweile 98 Jahre alt, ließ auch Adalbert Mischlewski die Gelegenheit nicht vergehen, darauf hinzuweisen, dass die Städtepartnerschaft "aus Feinden Bekannte" gemacht habe. Gerade jetzt im Angesicht eines zunehmenden Nationalismus in Europa, könne man dessen Bedeutung gar nicht überschätzen. "Le Nationalisme c'est la guerre", (Nationalismus ist Krieg) , zitierte er den ehemaligen französischen Staatspräsidenten François Mitterand und erklärte: Natürlich solle jedes Volk seine Eigenheiten haben und bewahren, sich aber immer auch bewusst sein, dass es Teil eines großen Ganzen sei.

Den Wert der Heimat in der zunehmend globalisierten Welt strich Grafings Bürgermeisterin heraus. Heimat aber sei mit der Region, mit dem Ort verbunden, nicht mit dem Staat, der ja gerade in Deutschland noch keine allzu lange Geschichte habe. "Heimat gibt Sicherheit", erklärte sie. "Unsere Jugend ist global, kommt aber immer gerne wieder in die Heimat zurück - und wenn es nur fürs Volksfest ist." Großen Applaus erntete sie für ihren an die französischen Gäste gerichteten Satz: "Ich möchte mich bei Ihnen bedanken für die Befreiung vom Faschismus, für die Befreiung vom Nationalismus." Mit dem Bild eines französischen Karikaturisten und, natürlich, Wein, bedankte sich Revol bei seiner Bürgermeisterkollegin. Auch er wies noch einmal auf die nationalistischen Verführungen hin, die "alle Nationen Europas" bedrohten und erklärte, bevor es für die Gäste an die Hauptspeise und den ästhetischen Genuss einer Movimento-Vorführung ging: Es tue nichts nur Sache, "dass unsere beiden Städte so unbedeutend auf der Karte Europas erscheinen: Ich bleibe völlig überzeugt, dass eine Partnerschaft wie diese tatsächlich die Basis der Union der Völker Europas ist und die Basis des Friedens."

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