Ottersberg:Bis die Röhren und die Herzen glühen

Organ Explosion Ottersberger Sommerkonzerte

Mit Ludwig Klöckner am Bass und Manfred Mildenberger an den Drums hat Keyboarder Hansi Enzensperger zwei glänzend aufgelegte Begleiter an der Seite. Der vierte Star des Abends ist Günter Richter, er inszeniert ein spektakuläres Bühnenlicht.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Band "Organ Explosion" lässt mit Pop-Art in Hochform den Ottersberger Kulturstadl leuchten - und erinnert viele Besucher an ihre musikalische Initiation

Von Ulrich Pfaffenberger, Ottersberg

Samstagabend, Rudi Zapfs Kulturstadl. Ein Mann kniet vor seinem Instrument. Das soll in der Welt der Musik schon vorgekommen sein. Wie so oft ist Liebe im Spiel, aber auch Fürsorge. Jeder in der Scheune wird Zeuge, wie Keyboarder Hansi Enzensperger seine Hammondorgel fast zärtlich berührt, was der Passion seines Spiels wegen verständlich wäre. Aber nein, er sorgt sich um das Innenleben, um die sensible Technik der angejahrten "B3". Die vorige Nummer, sie hat den Röhren - ja, richtig: Röhren! - zugesetzt, sie überhitzt. Wie gut, dass gleich nebendran noch eine Wurlitzer und ein Moog stehen, die ebenfalls ihren Beitrag zur "Organ Explosion" leisten wollen.

So ungewöhnlich wie diese kleine Szene, so ungewöhnlich das ganze Konzert, mit dem die Sommerkonzerte in Ottersberg wieder Fahrt aufnahmen. "Organ Explosion", die dreiköpfige Band aus München, passt gut in den Reigen der unkonventionellen Gäste, die sich alljährlich in dem kleinen Dorf ein Stelldichein geben, wo der Parkplatz von neugierigen Kälbern bewacht wird. Wie die Glut aus einem Ofen pulsiert an diesem Abend gelb-grün-rotes Licht aus dem halbgeöffneten Tor, getragen von einer Musik, von der viele gar nicht glauben wollen, dass es sie noch gibt. Mit Ludwig Klöckner am Bass und Manfred Mildenberger an den Drums haben Enzensperger und seine elektrischen Klaviere zwei glänzend aufgelegte Begleiter an der Seite, die jede Nummer mit einer Leidenschaft und Detailverliebtheit zelebrieren, dass einem nicht nur die Ohren klingen, sondern auch das Herz lacht.

Das hat fraglos auch damit zu tun, dass die meisten Publikum mit dem typischen Sound von Hammond- und Wurlitzerorgel ihre musikalische Initiation erlebt haben. Kein Fernsehfilm und kein Krimi, der 1970er Jahre, der sich nicht so angehört hätte, keine Party, die nicht davon durchdrungen war. Jeder Lauf, jeder Akkord ist eine Begegnung mit vermeintlich längst verflossenen Bekanntschaften, und würde man nach der dritten oder vierten Nummer jemanden fragen, welches Jahr wir gerade schreiben, wäre ein spontanes "zwoarasiebzg" keine Überraschung. Fast schon kindliche Freude also macht sich breit angesichts dieses wunderbar wummernden, verheißungsvoll schimmernden "Gedudels", das unsere Großeltern auf die Palme getrieben hat. Wobei man "Organ Explosion" Unrecht tut, wenn man sie in der Nostalgiekiste verräumt: Selbst Ohrwürmer wie "Telstar" oder den Ausflugsdampfer-Hit "Quando, quando, quando" verwandeln sie mit ihren Improvisationen beherzt und gekonnt in Klassiker von bestechender Modernität. Die Fantasie erfüllende Ausflüge ins Überirdisch-Sphärische lassen sie elegant und locker wieder auf dem Erdboden landen, den sie mit herzhaften Bass-Rhythmen durchpflügen.

Alle drei zeigen sich als Ganzkörper-Musiker, nahtlos verwachsen mit ihren Instrumenten, wobei der Bassist minimalistisch, der Schlagzeuger impulsiv und der Keyboarder expressiv seine Akzente setzt. Trotz jungen Jahren demonstrieren sie das blinde Verständnis im Zuspiel und das tiefe Gefühl für Dynamik wie man es meist nur bei alten Hasen genießen darf. Das größte Lob gilt dabei ihrem innigen Umgang mit den leisen Tönen und langsamen Passagen, das den "Explosions" das Krachende, Zerstörerische nimmt. Allen voran Enzensperger erweist sich das Trio als geradezu philosophischer Dreher und Wandler musikalischer Gedanken, deren Bewegung sie dramatisch verharren lassen, um sie dann wieder atemberaubend beschleunigen. So bringen sie nicht nur die Körper des Publikums in Bewegung, sondern auch die Köpfe.

Ein Highlight im buchstäblichen Sinne hat am Samstagabend einer gesetzt, der nicht auf dem Plakat stand: Günter Richter aus Baldham. Mit seinen Projektoren und Overhead-Geräten, manche nicht weniger antiquarisch als die Hammondorgeln auf der Bühne, inszenierte er ein Bühnenlicht mit psychedelisch-grafischen Mustern und "Organic Optics", perfekt abgestimmt auf die Melodien, Stimmungen und Rhythmen der Band. Genauso wie die Musiker improvisierte und jammte er an seinen Instrumenten, ließ in Handarbeit die fließenden Formen der durchleuchteten Substanzen pulsieren und rief in den Betrachtern die Erinnerungen an Schulbälle, Tanzkeller und Lavalampen wach. Seine Kunst verlängerte die "Organ Explosions" aus den Ohren in die Augen und verdiente ihren Anteil am Glück des hingerissen applaudierenden Publikums. Pop-Art in Hochform, ganz große Show.

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