Oberpframmern:Lebensgefährliche Ungeduld

Die Polizei ahndet riskante Überholmanöver - wenn sie die Verantwortlichen erwischt. Im Landkreis sind die meisten Raser auf der B 304 oder der Staatsstraße durch den Forst unterwegs

Von Alexandra Leuthner, Oberpframmern

Es hätte alles vorbei sein können. Bei knapp 100 Stundenkilometern steigt der vorausfahrende Minifahrer plötzlich in die Bremsen. Die Straße durch den Wald, ein paar Kilometer vor Oberpframmern, verläuft schnurgerade. Es geht in flottem Tempo dahin, wenig Verkehr an diesem Feriennachmittag. Wer bei der Hitze nicht am See liegt oder auf dem Liegestuhl zu Hause, sitzt noch in der Arbeit. Und dann das. Ein Kleinlaster kommt entgegen, die Bremslichter des blauen Minis leuchten auf, und bevor die Frage nach dem "warum" noch formuliert ist, ist er da, der Porsche, und auch schon links vorbei. Gerade noch war in der Frontscheibe sein Schwenk zurück auf seine eigene Fahrspur mehr zu erahnen als zu sehen, durch den er den Frontalzusammenstoß mit dem blauen Wagen vermieden hat. Es müssen Millimeter gewesen sein, die den Porsche, den überholten Kleinlaster und den Mini voneinander trennten - und die zwischen einem Ferienausflug an den Steinsee und einer Katastrophe lagen. Der Wucht des Zusammenstoßes hätten die nachfolgenden Autos nicht entgehen können. Der Porsche übrigens war so schnell, dass nicht mal mehr seine Farbe zu erkennen war - geschweige denn ein Nummernschild.

Zu seinem Glück. Denn, sagt Dirk Anders, Verkehrssachbearbeiter der Polizeidienststelle Ebersberg, derart rücksichtslose Autofahrer bitte die Polizei schon gerne mal zu einer Vernehmung in die Dienststelle, wenn sie denn zu ermitteln seien. Grundsätzlich würden unverantwortliche Überholmanöver natürlich geahndet. "Überholen darf nur, wer übersehen kann, dass während des ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist", so steht es in der Straßenverkehrsordnung. "Aber dass da einige mit ihrer Ungeduld nicht umgehen können, wissen wir auch", sagt Anders, und wer 380 PS unter der Haube habe, für den sei das oft besonders schwierig.

Tatsächlich passiere auf der Strecke, die Putzbrunn im Landkreis München mit Oberpframmern und Glonn, aber auch mit dem beliebten Steinsee im Landkreis Ebersberg verbindet, nicht außergewöhnlich viel, erklärte Anders. In den vergangenen 15 Jahren erlitten zwar mindestens zehn Personen bei Unfällen auf dieser Straße auch schwere Verletzungen, ein 28 Jahre alter Mann verlor bei einem Frontalzusammenstoß mit einem Tanklastzug im Jahr 2002 sogar sein Leben. Dennoch gebe es gerade Unfälle, die auf gescheiterte Überholmanöver und überhöhte Geschwindigkeit zurück zu führen seien, in ähnlichem Maße auf der B 304 oder der Staatsstraße 2080 durch den Ebersberger Forst. "Jeder meint immer, er ist zu spät dran", kommentiert Anders. Und viele Autofahrer wüssten heute auch mit ihren Fahrzeugen nicht mehr umzugehen. "Da wird energiesparend gefahren im sechsten Gang und nicht runter geschaltet, wodurch man beim Überholmanöver möglichst schnell vorbei wäre." Eigentlich, fordert er, sollte jeder Autofahrer regelmäßig ein Fahrertraining absolvieren.

Leider habe er nicht das Personal, Straßen wie die nach Oberpframmern durchgehend zu kontrollieren, "aber wenn ich so etwas gemeldet kriege, dann stellen wir uns schon mal einen Tag hin und ahnden die Verstöße dann auch." Und wenn sich das herumspreche, "dann zeigen solche Kontrollen auch Wirkung." Als Beispiel führt Anders die B 304 in Kirchseeon an. Vor einigen Jahren sei es bei nächtlichen Verkehrskontrollen immer wieder vorgekommen, dass Autofahrer mit 150 Stundenkilometern durch den Ort gerast seien. Nachdem bekannt geworden sei, dass die Polizei dort verstärkt kontrolliere, kämen solch extreme Ausreißer nach oben nicht mehr vor.

Verkehrssachbearbeiter Anders nutzt die Gelegenheit zu einer Fundamentalkritik am Verkehrswesen. Auch auf den Straßen im Landkreis Ebersberg - und den elf Gemeinden im Bereich der Ebersberger Inspektion - seien immer mehr Autos unterwegs - ein Plus von zweieinhalb Prozent pro Jahr in den vergangen drei Jahren. Allein gemessen daran halte er den zur Verfügung stehenden Bußgeldkatalog für zu lax und für zu kompliziert. "Wenn ich im Halteverbot stehe, sollte es doch egal sein, ob ich das nur ein paar Minuten tue. Halteverbot ist Halteverbot." Was Anders auch moniert, ist die Tatsache, dass es keinen einheitlichen europäischen Bußgeldkatalog gebe. In Österreich seien Verstöße viel teurer, in Italien würden Autos auch mal eingezogen, wenn ihre Fahrer zu schnell fahren. "Aber bei uns ist das nicht gewünscht", fügt er mit einer gehörigen Portion Sarkasmus hinzu. "Wenn ich für zehn Stundenkilometer zu viel 130 Euro zahlen muss, dann fahre ich ganz schnell nicht mehr zehn Stundenkilometer zu viel." Für einen großen Fehler halte er auch den deutschen Verzicht auf die Fahrzeughalterhaftung. Hier müsse immer bewiesen werden, wer einen Wagen gefahren hat. "Wenn wir grundsätzlich die Fahrzeughalter verantwortlich machen könnten, täten wir uns schon leichter. In anderen Ländern geht das, aber unser Verkehrsrecht gibt das nicht her."

Also seien die Beamten stark auf die Mitarbeit der Bevölkerung angewiesen. Autotyp, Kennzeichen, und, wenn möglich, auch noch ein paar Angaben zum Aussehen des Fahrers seien für die Polizei notwendig, um Verkehrsverstößen wie gefährlichen Überholmanövern nachzugehen. Auch auf der Straße nach Oberpframmern.

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