Oberpframmern:Der Eid in der Küche

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Wissenschaftler analysieren Gerichtsprozesse aus dem 15. Jahrhundert

Von Sandra Langmann, Oberpframmern

Eine vorsichtige Annäherung, die Frage nach der Hand der Angebeteten und der Liebesakt reichten im 15. Jahrhundert aus, um eine Ehe zu vollziehen. Ein Pfarrer war damals nicht von Nöten, um eine Ehe einzugehen. Den Beteiligten, vor allem den Frauen, konnte das aber zum Verhängnis werden. Beispielsweise, wenn sich der einst liebevolle Partner an die Zeugung der Tochter nicht mehr erinnern konnte, sich als Schläger entpuppte oder sich für die Entjungferung nicht zuständig fühlte. Viele solcher Fälle, die sich zwischen Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts zugetragen haben, sind dank der akribischen Mitschriften von Gerichtsschreibern erhalten geblieben. Als Quelle dienen heute Offizialate, die Gerichtsbücher, deren Seiten aus Pergament und Lumpen bestehen und die damals noch in lateinischer Sprache verfasst wurden. In 40 Jahren entstanden 43 Bände, in denen 8000 Prozesse dokumentiert sind, die vor dem Freisinger Gericht nach kanonischem Recht behandelt wurden. Dazu zählen neben Eheprozessen auch Streitfälle zwischen Klerikern und Laien.

Die 13 Fälle daraus, die sich in Oberpframmern abgespielt haben, wurden von Christopher Kast, wissenschaftlicher Mitarbeiter der LMU in München zusammengetragen und jetzt in der Oberpframmerner Gemeindebücherei präsentiert. Im Zuge seiner Forschungen sei er auf diese Offizialen gestoßen, die nicht nur einen Einblick in die Vergangenheit geben, sondern das Leben der einfachen Menschen, der Bauern, genauer beleuchten.

In der Wissenschaft seien die Heimatgeschichten verpönt und die Geschichtsschreibung habe sich mit den bedeutenden Menschen jener Zeit beschäftigt, so Kast. Das Leben des Adels wurde niedergeschrieben, für die untere Schicht interessierte man sich nicht. "Dabei ist die Heimatgeschichte gewinnbringend und interessant", schildert Kast seine Erfahrungen mit diesem Themengebiet. Durch die überlieferten Texte sei es außerdem möglich, sowohl die Sprache als auch die Dinge, mit denen die Menschen damals konfrontiert waren, zu erforschen. Die behandelten Prozesse liegen 500 Jahre zurück - in der Zwischenzeit ereignete sich die Reformation, die Französische Revolution und die beiden Weltkriege, um nur einige Eckdaten zu nennen. Damals lebten die Menschen in einer völlig anderen Welt, wie Christopher Kast anhand einiger Beispiele aufzeigt.

"Von Oberpframmern bis nach Freising war es ein langer und kostspieliger Weg", erklärt Kast. Diesen nahm man schlicht nur dann auf sich, wenn es wirklich nicht mehr auszuhalten war. Dazu hat sich auch Margaretha Schmidt aus Alxing entschieden, die 1484 gegen Andreas Holtzel aus Pframmern klagte. Bereits die Überschrift des Prozesses gibt Aufschluss über die Namen und die Herkunft der beteiligten Personen. In der Küche ihres Bruders habe er sie gebeten, mit ihm zu schlafen, so die Anklageschrift. Sie weigerte sich, versprach es aber zu tun, wenn er sie zur Frau nehme. Holtzel willigte ein mit den Worten "Mein Gredel nym mich so will ich dich auch nemmen." Das bestätigte er drei Mal unter Eid. Das Problem dabei war: Zeugen waren dabei nicht anwesend. Daraufhin sei sie nicht nur entjungfert, sondern auch geschwängert geworden. Als Beweis diente Elisabeth, die am Korbinianstag zur Welt kam, für die der Angeklagte aber keinen Unterhalt zahlen wollte. Vermutlich wurde die Klage abgelehnt, da die Vaterschaft nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte.

Auch Fälle von Impotenz, Unfruchtbarkeit und Gewalt wurden vor dem Freisinger Gericht behandelt. Wenn der Gatte nicht in der Lage war, einen Nachkommen zu zeugen, konnte die Ehe aufgelöst werden, da die Ehe nie vollzogen wurde. In einem weiteren Fall litt ein Ehemann an frühzeitigem Samenerguss. "Auf Anraten des Richters musste es die Gattin aber weiterhin versuchen und die Ehe wurde daraufhin nicht geschieden", so Kast. Häufig lag es einfach im Ermessen des Richters, ob eine Ehe geschieden oder weitergeführt wurde.

© SZ vom 16.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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