Oberndorf:"Wir werden das schon hinkriegen"

Lesezeit: 2 min

Immer diplomatisch: Angelika Niebler lässt sich auch von Zwischenrufen nicht aus der Ruhe bringen. (Foto: Christian Endt)

Europaabgeordnete Angelika Niebler stellt sich hinter Merkels Flüchtlingspolitik

Von Jan Schwenkenbecher, Oberndorf

Die Flüchtlinge, der Brexit, die Türkei und der Milchpreis - am Mittwochabend sprach Angelika Niebler (CSU) im Gasthof Huber über die ganz großen Themen. "Wir haben in Europa gerade bewegte, herausfordernde Zeiten", erklärte die Europaabgeordnete, die auf Einladung des CSU-Ortsverbands Ebersberg gekommen war. Dass die Entscheidungen in Brüssel von der Weltpolitik beeinflusst würden und dann sogar bis nach Oberbayern hinein wirkten, das sei überall zu spüren, sagte die 53-jährige stellvertretende Parteivorsitzende der CSU und Vorsitzende der Frauenunion. Wenn also der Milchpreis einbreche, hänge das mit den EU-Sanktionen gegen Russland zusammen. Dass ihr KFZ-Meister in Vaterstetten kaum Geld für Schrott bekomme, liege daran, dass China den Stahlmarkt überschwemme. "Da müssen wir reagieren. Solche Entscheidungen treffen wir im europäischen Parlament."

Der Schwerpunkt des Abends aber war die europäische Flüchtlingspolitik. "Wir leben in einer globalisierten, digitalisierten Welt, das zieht Menschen an. Deutschland als wirtschaftlicher Motor Europas zieht an." Menschen würden immer dorthin gehen, wo Arbeit ist. Deshalb strebten so viele der Flüchtenden nach Deutschland. Die Situation sei zwar ruhiger als vor einem Jahr. "Aber in Italien kommen täglich immer noch 5 000 bis 6 000 Flüchtlinge an", so Niebler, "die Situation ist noch lange nicht gelöst." Eine Lösung könne es allerdings nicht sein, Europa abzuschotten und niemanden mehr rein zu lassen. Vielmehr warb Niebler für Registrierzentren, in denen Asylbewerber ihre Anträge schon in Afrika stellen könnten. Die Idee ist nicht neu, immer wieder war in den vergangenen eineinhalb Jahren auch Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) dafür eingetreten. Kritiker sind hingegen der Meinung, dass die Rechte von Asylbewerben dort nicht ausreichend geschützt würden, etwa europäischem Standard entsprechende Berufungsmöglichkeiten nach einem Ablehnungsbescheid nur unzureichend seien. Abgesehen davon trat Niebler aber auch dafür ein, vor Ort zu helfen. "Wir müssen in Afrika Perspektiven schaffen", sagte sie, "wir müssen helfen, den Menschen Berufe und Bildung zu bieten. Jeder Cent, den wir dort investieren, ist gut investiert."

Immer wieder empörten sich Zuhörer über die europäische und die deutsche Flüchtlingspolitik, die zu weich sei. Hersteller von Flüchtlingsbooten sollten schon in Afrika dingfest gemacht werden, Flüchtlinge sollten nicht nach Italien kommen, sondern direkt zurückgeschickt werden. Niebler blieb jedoch auf ihrer Linie und verwies auf die Grenzschutzbehörde Frontex, die die Grenzen sichere und mit Booten in der Ägäis patrouilliere. Europa seinerseits könne keine Soldaten nach Afrika schicken, sondern müsse mit den dortigen Behörden zusammenarbeiten.

Die Zustände in der Türkei kritisierte Niebler scharf. Das Land sei meilenweit von der EU-Mitgliedschaft entfernt. "Wenn man sieht, wie da gesäubert wird, wie Journalisten, Wissenschaftler und Oppositionelle eingesperrt werden", so Niebler, "müssen wir die Verhandlungen unterbrechen, wenn nicht sogar abbrechen."

Auch den Brexit kritisierte Niebler, "das großbritannische Modell darf keine Schule machen." Die Austrittsbedingungen werden derzeit ja noch gar nicht verhandelt, da die Briten den Austritt offiziell noch nicht eingereicht haben. Doch wenn es soweit sei, "sollten wir die Briten weder bestrafen, noch belohnen", so Niebler, "wir sollten faire Verhandlungen führen."

Den ganzen Abend über blieb Niebler diplomatisch. Immer wieder warb sie dafür, Themen zu differenzieren und nicht zu vereinfachen. Zur angeblichen schleichenden Islamisierung sagte sie, dass der CSU die Leitkultur wichtig sei, die Werte, die Traditionen. Doch einer Forderung aus dem Publikum, die CSU solle populistischer werden, widersprach Niebler umgehend: "Wir dürfen nicht populistisch werden und sagen 'keiner darf rein, kein Cent für die Griechen.' Das wollen wir nicht." Auch verteidigte sie Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in der Diskussionsrunde von den Gästen mehrfach kritisiert wurde. "Wir müssen wertschätzen, was sie alles für uns gemacht hat", so Niebler, "als wir die Riesenkrise hatten, hat die Merkel das super gemacht. Sie hat schon einige heiße Kartoffeln für uns aus dem Feuer geholt."

Und so schloss Angelika Niebler im Sinne von Kanzlerin Merkel, vermutlich aber zum Ärger einiger CSU-Parteikollegen mit dem Satz: "Wir werden das schon hinkriegen."

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: