Wahlrecht:Nur die CSU würde profitieren

Die CSU will das kommunalen Wahlrecht per Antrag ändern. Dies stößt im Landkreis Ebersberg auf Kritik von SPD, Grünen, Freien Wählern und FDP.

Von Jan Schwenkenbecher

CSU im Vorteil

SZ-Grafik; Quellen: Bayerischen Landesamt für Statistik, eigene Berechnungen; Fotos: Endt (2), Reger

Es geht um Macht, um Demokratie. In Glonn. Die Gemeinderatsfraktionen der Grünen und von SPD/KommA haben sich in einem Brief an den Bürgermeister und die Gemeinderäte gewandt. Diese sollen in einer gemeinsamen Erklärung den Bayerischen Gesetzgeber dazu auffordern, das kommunale Wahlrecht Bayerns nicht so zu ändern, so wie es die CSU-Landtagsfraktion gefordert hat.

Grüne und SPD/KommA begründen den Antrag damit - so steht es in dem Schreiben -, dass das System von der CSU "nur zu dem Zweck verabschiedet wird, die eigene Macht auf kommunaler Ebene abzusichern." Auch in der Gemeinde Zorneding haben die Grünen einen entsprechenden Gemeinderatsantrag gestellt. Das Zornedinger Gremium soll eine ähnlich Resolution formulieren.

Vor etwa zwei Wochen hatte die CSU im Landtag eine Änderung des kommunalen Wahlrechts gefordert. Vom aktuellen Hare-Niemeyer-Verfahren zurück zum D'Hondt-Verfahren (siehe Kasten). Zurück, da es erst 2010 eben von D'Hondt auf Hare-Niemeyer umgestellt wurde. Das Hare-Niemeyer-Verfahren gilt als gerechter, besonders für kleine Parteien. Eine davon, die FDP, war damals Koalitionspartner der CSU im Landtag.

Mittlerweile, eine Wahl später, hat die CSU im Landtag wieder die absolute Mehrheit. Und würde nun gerne zurück zum alten Wahlrecht, zu D'Hondt. Das begünstigt Parteien, die viele Wählerstimmen gewinnen konnten. In weiten Teilen des Freistaats stieß dieser Vorschlag auf Empörung, besonders bei Mitgliedern kleinerer Parteien, so auch in Ebersberg. Denn vielerorts in Bayern, und auch im Kreis Ebersberg, ist die CSU selbst die stärkste Partei. Eine Änderung des Wahlrechts käme ihr also selbst gut zupass.

Das zeigt sich, schaut man auf die Kommunalwahl vom 16. März 2014. Nach Berechnungen der Süddeutschen Zeitung hätte sich zwar die Zusammensetzung des Kreistags nur geringfügig geändert - ein Sitz der Bayernpartei wäre der CSU zugefallen. In acht von 21 Gemeinden wäre allerdings die Sitzverteilung in den Stadt- und Gemeinderäten eine andere. In allen acht Fällen hätte eine Partei mit wenigen Stimmen einen Sitz an eine Partei mit vielen Stimmen abgeben müssen, in sieben Fällen wäre die große Partei die CSU gewesen. Im Ebersberger Stadtrat hätte die FDP so ihren einzigen Sitz verloren. Die Ausnahme wäre Emmering, dort hätte die CSU einen Sitz an die Bürger für Emmering abgeben müssen.

Die kleinen Parteien sind sich beim Verfahren einig

Das aktuelle Verfahren, Hare-Niemeyer, gilt zwar als gerechter. Doch auch diese Berechnung bildet die Prozente der Stimmen nicht eins zu eins in der Sitzverteilung ab. Die FDP gewann bei der Kommunalwahl in der Kreisstadt 2,6 Prozent der Stimmen; der eine von insgesamt 24 Sitzen im Stadtrat steht aber für 4,2 Prozent der Sitze. Bei wenigen Sitzen ist es allerdings nahezu unmöglich, die Stimmenverteilung exakt in der Sitzverteilung darzustellen. Da etwa bei 24 Sitzen, wie in Ebersberg, jeder Sitz eben 4,2 Prozent "wert" ist.

Parteien können somit im Ebersberger Stadtrat nur 4,2 Prozent oder 8,4 Prozent oder 12,6 Prozent und so weiter der Sitze zugeteilt bekommen. Erhält eine Partei nun 6,3 Prozent der Stimmen, kann das im Stadtrat nicht abgebildet werden, es gibt schlicht keine halben Sitze. Mitunter bekommen Parteien so mehr oder weniger Sitzanteile, als ihnen auf Basis der Stimmen eigentlich zustehen. Dieser Vor- beziehungsweise Nachteil gilt allerdings für alle Parteien, unabhängig ihrer Größe.

Die kleineren Parteien im Landkreis sind sich daher einig, welches Verfahren anzuwenden sei. "Auf jeden Fall ist Hare-Niemeyer vorzuziehen", sagt Gertrud Höpfner, eine der drei Kreisvorsitzenden der Grünen, "man weiß schon seit ewigen Zeiten, dass das D'Hondt Verfahren größere Parteien stärkt und kleinere benachteiligt." Auch ihr Parteikollege und ebenfalls Kreisvorsitzender Tobias Vorburg äußert sich ablehnend: "Dieser Antrag ist ein Angriff auf Demokratie und politische Vielfalt!", schreibt Vorburg in einer Pressemitteilung.

In der FDP sieht man das ähnlich, "es ist eine Arroganz der Macht", so der Kreisvorsitzende Alexander Müller, "wenn die CSU durch eine Wahlrechtsreform sich selbstbedienen will." Und auch die Freien Wähler sind gegen die Änderung. Der Bezirksvorsitzende und Mitglied des Landtags, Florian Streibl, informierte am Freitagmorgen alle Kreisvorsitzenden in einer Rund-Mail über "die Problematik von D'Hondt". Ebersbergs Kreisvorsitzender Wilfried Seidelmann sagte auf Nachfrage: "Ich glaube, die Vielfalt und die Stärkung der kleinen Parteien, ist gelebte Demokratie. Grundsätzlich ist die Stoßrichtung klar, eine Stärkung der Großen, eine Schwächung der Kleinen."

Auch die SPD kritisiert den Vorschlag der CSU. "Wir unterstützen das Vorhaben nicht", sagt die stellvertretende Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Doris Rauscher. Es sei zwar so, dass die geplante Änderung auch der SPD zugute käme, etwa in großen Städten wie München und Nürnberg, wo die SPD bei den Kommunalwahlen 2014 viele Stimmen bekam. "Dennoch sind wir für den Erhalt des bestehenden Verfahrens", so Rauscher, "wir unterstützen auf jeden Fall die Vielfalt in den Parlamenten, egal auf welcher Ebene."

Hingegen sagt der CSU-Kreisvorsitzende Thomas Huber, es gehe bei der Diskussion darum, "wie man den Wählerwillen bei Gemeinde-, Kreistags- und Bezirkstagswahlen am genauesten abbilden kann." Dabei stehe auch eine mögliche Rückkehr zum alten System im Raum. "Das Verfahren nach D'Hondt führt insoweit zu einer besseren Abbildung des Wählerwillens", so Huber, "als Parteien und Wählergruppen keine Sitze erhalten, die nur sehr wenige Stimmen auf sich vereinigen konnten." Dieses Verfahren habe sich hinsichtlich der Sicherung der Funktionsfähigkeit der kommunalen Gremien als besser bewährt.

Eine Entscheidung im Landtag soll allerdings erst nach einer nun auf Antrag der Grünen im Innenausschuss beschlossenen Expertenanhörung getroffen werden. Ein Termin steht noch nicht fest. Horst Seehofer hat sich unterdessen schon gegen die CSU-Landtagsfraktion und gegen eine Rückkehr zu D'Hondt ausgesprochen

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