Grundschulen in Vaterstetten:Verlagertes Zentrum

Das neue Gebäude soll am Stadion entstehen - einige Schüler hätten dann einen deutlich längeren Weg.

Oliver Hollenstein

Vom Hause Niedergesäß sind es 1,7 Kilometer zur Schule. "Die läuft meine Tochter jeden Tag - das geht", sagt Vaterstettens Bürgermeister Robert Niedergesäß. Er sei früher sogar fünf Kilometer gelaufen, ergänzt Gemeinderat Will-Rafael Bienheim. "Gar kein Problem." Ungewöhnliche einig waren sich die Vaterstettener Gemeinderäte nach den kontroversen Sitzungen der vergangenen Wochen beim jüngsten Aufeinandertreffen. Die Entscheidung, ob die Vaterstettener Schulen saniert oder ein neues Schulzentrum entstehen soll, wird im Juli wohl einstimmig fallen. Nun müssen die Gemeinderäte nur noch die Bürger überzeugen - denn einige Zweifler gibt es offenbar noch.

Es gibt ein gewichtiges Gegenargument", sagte Niedergesäß in der Gemeinderatssitzung zu dem von der Gemeinde bevorzugten Schulneubau. "Das sind die Schulwege." Werden die Grundschulen in der Wendelsteinstraße sowie in der Gluckstraße abgerissen, müssen Kinder in einigen Wohngebieten in ein paar Jahren deutlich längere Schulwege in Kauf nehmen. Vom Birkenweg müssten die Grundschüler beispielsweise statt einen Kilometer zur Wendelsteinstraße, künftig 1,9 Kilometer zum Sportzentrum laufen, hat die Gemeinde ausgerechnet. Für Kinder aus dem Veilchenweg würde sich der Weg von 600 Metern auf 1,5 Kilometer verlängern. An andere Wohngebiete der Großgemeinde rückt die Schule dagegen deutlich heran.

Leider gibt es bei solchen Veränderungen immer Gewinner und Verlierer", sagte Niedergesäß. Damit kein Kind länger als zwei Kilometer zur Schule laufen muss, sollen daher die Schulbezirke geändert werden. "Diese Entfernung haben wir heute schon und müssen wir akzeptieren." In den nächsten Wochen soll geprüft werden, ob Teile von Baldham - etwa die Arnikastraße und der Akazienweg - künftig zum Einzugsgebiet der Grundschule in der Brunnenstraße gerechnet werden.

Bei der Planung müsse darüber hinaus die Entwicklung der künftigen Schülerzahlen berücksichtigt werden, betonten die Gutachter. "Vaterstetten ist weiterhin ein attraktives Wohngebiet für Familien", prognostiziert der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München. Bis 2015 werden demnach vor allem im Einzugsbereich der neuen Schule im Vaterstettener Nordwesten die Schülerzahlen stark ansteigen - und bis 2025, wenn sich die Alterung der Gemeinde als Faktor deutlicher bemerkbar macht, dann weniger stark fallen, als im Rest der Großgemeinde.

Auf Basis dieser Daten hatte das Institut für Sozialplanung SAGS empfohlen, für den Einzugsbereich der Gluckstraße und der Wendelsteinstraße eine Grundschule mit fünf Parallelklassen und eine Mittelschule mit ein bis zwei Parallelklassen zu planen. Die Gemeinde hatte daraufhin zwei verschiedene Optionen prüfen lassen: Ein Schulgebäude mit 18 Klassen, Mensa und Einfachsporthalle, die lediglich das Schulzentrum in der Gluckstraße ersetzen und künftig eine dreizügige Grundschule und eine einzügige Mittelschule beherbergen soll. In diesem Fall bliebe die Grundschule in der Wendelsteinstraße erhalten. Alternativ ein Schulgebäude mit 26 Klassen, Mensa und Dreifachturnhalle, das beide Grundschulen und die Mittelschule zusammenführen soll. Offiziell stehen noch beide Alternativen zur Auswahl (siehe Kästen) - da die Variante mit der kleineren Schule allerdings deutlich teurer wäre, bevorzugen die Gemeinderäte einhellig die große Lösung.

Doch trotz aller Einigkeit gab es im Gemeinderat auch einige wehmütige Stimmen. "Das ist eine historische Entscheidung", sagte etwa SPD-Fraktionschef Günter Lenz. "Da geht schon emotional etwas verloren." Woraufhin mehrere Gemeinderäte s ihre persönliche Erfahrungen als Schülern und Eltern in den Vaterstettener Grundschulen erzählten.

Der Grünen-Gemeinderat Stefan Ruoff machte in der Debatte auf die "teils gravierenden Auswirkungen" der Standortentscheidung Aufmerksam. "Derzeit ist die Grundschule in der Wendelsteinstraße der einzige Grund, warum die Leute ins Zentrum kommen." Mit einer Schließung der Schule werde sich auch der Schwerpunkt des Ortes verlagern. "Auch das müssen wir hier einmal ehrlich ansprechen."

Bürgermeister Niedergesäß warnte gerade angesichts solcher Bedenken vor einer vorschnellen Entscheidung. "Wir haben jetzt vier Jahre intensiv an diesem Thema gearbeitet. Wir sollten uns jetzt auch die Zeit nehmen, den Vorschlag drei Monate mit den Bürgern zu diskutieren." Klar sei, gab er Ruoff Recht, dass die neue Schule die Struktur des Ortes nachhaltig verändere. "Eine Ortschaft verändert sich nunmal. Das muss nicht nur negativ sein, sondern bietet auch Chancen."

Chancen sahen mehrere Gemeinderäte offenbar auch darin, dass der Verkauf der Grundstücke mehr Geld einbringen könnte, als die neue Schule kosten soll. FDP-Gemeinderat Wolfgang Will schlug vor, mit dem Geld ein Lehrschwimmbad zu bauen. Das bestehende Schwimmbad im Baldhamer Schulzentrum würde mit der alten Schule abgerissen. Die Architekten schätzen die Kosten für ein Lehrschwimmbad auf rund acht Millionen Euro. Der Vorschlag und mögliche Fördermöglichkeiten sollen nun geprüft werden.

CSU-Fraktionschef Michael Niebler warnte davor, dass das "kalkulatorische Plus von 1,6 Millionen Euro", das sich aus den derzeitigen Rechnungen ergebe, weitere Begehrlichkeiten wecken könnten. "Unser wichtigstes Ziel muss es bleiben, dass sich unsere Projekte aus sich selbst heraus finanzieren", plädierte Niebler an seine Gemeinderatskollegen. Ein Lehrschwimmbad könne beispielsweise finanziert werden, indem die Gemeinde auf den derzeitigen Schulgrundstücken eine dichtere Bebauung erlaube - und damit einen höheren Preis für das Land erzielen könne. Auch aus der SPD gab es für diese Variante Zustimmung.

Insgesamt dürfte es bei den derzeit prognostizierten Zahlen allerdings auch noch einige Unwegbarkeiten geben. Sowohl die Investitionskosten, als auch die möglichen Erlöse bei den Grundstücksverkäufen unterliegen den Schwankungen der Immobilienpreise und der Baukonjunktur. Erfahrungsgemäß verteuern sich die meisten öffentlichen Bauprojekte deutlich. Darüber beruhen auch die angenommenen Zuschüsse vom Freistaat Bayern derzeit nur auf Schätzungen. Unklar sei noch, in wie fern die Turnhalle in Kombination mit einem Schwimmbad gefördert werden könnte, erklärte Vaterstettens Kämmerer Markus Porombka. "Das klären wir aber in den kommenden Wochen."

In den kommenden Wochen sollen nun außerdem die Bürger in die Diskussion um die mögliche Entwicklung der Schulstandorte eingebunden worden. Jeder in der Gemeinde sei bis zum 30. Juni aufgefordert, seine Ideen einzubringen, erklärte Bürgermeister Niedergesäß. Als Grundlage sollen in den nächsten Tagen die Studien zur Schulentwicklung auf die Internetseite www.vaterstetten.de gestellt werden. Außerdem soll es auch öffentliche Diskussionen geben. Den Anfang machen am nächsten Montag ab 20 Uhr die Grünen in der Baldhamer "Landlust". Weitere Veranstaltungen dürften folgen. (Seite 1, Kommentar)

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