Neben Sex, Drugs und Rock 'n' Roll:Der Highlander aus Grafing

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Bruchpilot und Rockmusiker "Wild Willy Westbahn" besitzt nicht nur 160 Gitarren, sondern auch Präparate von Skorpion und Vogelspinnen. Nun hat er seine Biografie geschrieben.

Rita Baedeker

Das erste Openair fand auf einem Mistkarren statt, der erste Gig auf einem zur Bühne umfunktionierten Treppenabsatz. Doch Hindernisse und Herausforderungen haben den Rockmusiker Willy Mertl, 50 Jahre alt, genannt "Wild Willy Westbahn", genannt "Guitar Highlander" aus Grafing, noch nie entmutigt. Nicht einmal, als ihn der ehemalige Grafinger Bürgermeister Kleinmeier wegen ruhestörenden Lärms am liebsten im Knast gesehen hätte, gab er klein bei.

Willy Mertl alias Wild Willy Westbahn sammelt Gitarren und andere Musikinstrumente. Am Freitag erscheint im Buchhandel der erste Band einer fünfteiligen Biografie des phantasievollen Grafinger Rockmusikers. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Würde aber auch zu einem wie dem Highlander nicht passen. Mertl, groß, sehnig, mit schwarzen halblangen Haaren, dunklen Augen und viel Silberschmuck, verkörpert die Figur idealtypisch. Entspannt sitzt er auf einem Hocker und spielt auf einer akustischen Gitarre einen lyrischen Song, den er für Melissa Gibson geschrieben hat. "Hier, schau", sagt er und demonstriert stolz eine neue Spieltechnik - das "Schlagtapping".

Von dem Rocker, der mit Eric Clapton ebenso arbeitet wie mit dem Öxinger Männergesangverein, erscheint an diesem Freitag im Traumfänger-Verlag der erste Teil einer Biografie. "Eigentlich hatte ich nie die Absicht, ein Buch zu schreiben", sagt Mertl. Doch irgendwann habe er begonnen, seine komisch-abenteuerlichen Erlebnisse aufzuschreiben und an ein paar Freunde zu mailen. Bald kursierten die Storys europaweit. "Es kamen Kommentare von wildfremden Leuten". Sogar Lukas Resetarits ("Kottan") hat geantwortet. Der Künstlername "Westbahn" ist übrigens eine Hommage an den von Mertl geschätzten österreichischen Rocker Kurt Ostbahn, Lukas' Bruder.

Der erste Teil seiner Biografie umfasst die Jahre von 1961 bis 1980, vier weitere Bände plus Sammelband werden folgen. Die drehbuchgerecht aufbereiteten Geschichten aus dem Leben eines "Bruchpiloten", wie Mertl von seiner Mutter genannt wurde, sind aber beileibe nicht der einzige Ausflug in die Schriftstellerei: Willy Mertl schreibt gleichzeitig an einem Roman, der "Sam" heißt. Die Geschichte um einen Jungen, der am Rande einer Lichtung auf einen Außerirdischen trifft, der sich außerhalb der Zeit bewegen kann, gefiel dem mittlerweile verstorbenen Regisseur Bernd Eichinger so gut, dass er einen Film daraus machen wollte. "Sam, das ist ein mächtiger Freund", sagt Mertl. Als kleiner Bub hätte er sich einen solchen Freund gewünscht.

Kindheit, Jugend, Tod, Liebe und die geliebte Musik sowieso - schon das Inhaltsverzeichnis der Biografie lässt ahnen, dass das Leben eines Musikers, dieses Musikers, nicht nur aus Sex, Drugs und Rock 'n' Roll besteht. "Allen romantischen Vorstellungen zum Trotz ist Musik zu machen ein äußerst hartes Brot und es fordert einem alles ab", schreibt Mertl an einer Stelle. Die CD zum Buch wartet auf mit einem gelungenen Best of, darunter Country-Metal, rockig arrangierte Hits der Beatles, sanfte Songs, englische und bairische Texte.

Seine Liebesgeschichte mit der Musik begann früh, sehr früh. Auf einem der Fotos in der Mitte des Buches sieht man den zwei Jahre alten Willy am Klavier. Das intensive Klavierspiel, eine enge Bindung an die Mutter, die mit knapp 50 Jahren starb, und ein schwerer Unfall (seine erste letzte Ölung bekam er als Sechsjähriger in der Kinderklinik von Steinhöring) prägen die Kindheit, die er als einsamer und, wie er sagt, "überbehüteter" Pechvogel mehr über- als erlebt. Bis die Wende kommt und sich ihm der "Gott der Musik" offenbart - in Form eines Kassettenrekorders, den Erwin, ein Freund des Vaters, mitbringt - und er, Willy, seine Berufung, seine Passion entdeckt.

Mertls Karriere beginnt, als Ralph Siegel ihn unter Vertrag nimmt. Heute hat er Erfolg als Produzent und Musiker, auch beim Film. Er besitzt 160 Gitarren, die jede Ecke, jede Wandnische im Haus füllen. Den verbleibenden Platz teilen sich geheimnisvolle Sammlungen: Präparate von Skorpion und Vogelspinnen, Uhren, Filmrequisiten wie Daniel Craigs 007-Feuerzeug und Christopher Lamberts Schwert aus dem "Highlander". Mertl nimmt die Waffe vorsichtig in die Hand, als habe sie magische Kräfte - Kräfte, die nun auch ihn, den Grafinger Highlander, stärken und beschützen.

© SZ vom 02.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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