Renaturierung:50 Prozent mangelhaft

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Ein Gutachten zu den Ausgleichsflächen im Kreis ist fertig und wird in Kürze im Landtag präsentiert. Auch andere Landkreise sollen von den Erkenntnissen profitieren

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Plastikkanister, alte Drahtgitter, ausgemusterte Möbel, eine verdreckte Kloschüssel, dazwischen stapelweise Abfalltüten: Was die Mitarbeiter der Unteren Naturschutzbehörde da vor einigen Jahren in einem Feldgehölz im südlichen Landkreis entdeckten, sah aus wie eine veritable Müllhalde. Dabei sollte es eigentlich ein Grundstück sein, auf dem die Natur Vorrang hat, das besondere Pflege erfahren soll. Es handelt sich um eine so genannte Ausgleichsfläche, die angelegt wurde, um einen Eingriff in die Natur an anderer Stelle zu kompensieren. An die 1400 solcher Ausgleichsflächen gibt es derzeit im Landkreis Ebersberg, insgesamt umfassen sie eine Fläche von gut 600 Hektar. Dass viele davon in sehr schlechtem Zustand sind, darauf hatte die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt schon 2014 mit großer Deutlichkeit hingewiesen. Wie genau es um die Flächen bestellt ist, das wird jetzt sogar Thema im Landtag sein: Dort werden in einer der nächsten Sitzungen im Umweltausschuss die Ergebnisse eines Pilotprojekts zum Ausgleichsflächenmonitoring präsentiert.

Das Projekt sollte eigentlich schon vor zwei Jahren stattfinden

Auslöser für das Pilotprojekt war eben jener Weckruf aus der Ebersberger Naturschutzbehörde. Diese soll eigentlich ein Auge darauf haben, dass die Ausgleichsflächen in ordentlichem Zustand sind. Doch allein aufgrund der Zahl der Grundstücke sind die Mitarbeiter gar nicht in der Lage, regelmäßig nach dem Rechten zu sehen. Dies nutzten viele Grundstücksbesitzer aus, es sei ein "Schlendrian" eingetreten, die Pflege der Flächen würde vernachlässigt, die Erhaltung von wichtigen Lebensräumen für Tiere und Pflanzen sei gefährdet, unterstrich Johann Taschner, Chef der Unteren Naturschutzbehörde, damals. Landrat Robert Niedergesäß (CSU) nahm die Kritik zum Anlass, sich im Umweltministerium für ein Pilotprojekt zur Kontrolle von Ausgleichsflächen einzusetzen.

So schön, wie dieses Biotop bei Parsdorf, können Ausgleichsflächen aussehen - leider tun das bei weitem nicht alle. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Allerdings startete das Projekt eher holprig: Schon 2015 sollte es eigentlich stattfinden, das klappte allerdings nicht, weil das Landesamt für Umwelt zunächst zu wenig Geld dafür eingeplant hatte und erst noch einmal über eine Aufstockung der Mittel verhandelt werden musste. Tatsächlich startete das Projekt dann Anfang 2016; das Büro Bosch & Partner hat im Auftrag des Landesamts für Umwelt die Ausgleichsflächen im Landkreis unter die Lupe genommen. Ursprünglich war die Auswertung bereits für Ende 2016 angekündigt gewesen, sie habe dann überraschend doch mehr Zeit in Anspruch genommen als ursprünglich kalkuliert, heißt es vom Landesamt für Umwelt.

Bei der Naturschutzbehörde hat man das Ergebnis so erwartet

Nun aber liegen die Ergebnisse vor, im Landratsamt sei das Gutachten bereits in schriftlicher Form eingegangen, sagt Johann Taschner. Überraschungen habe es aber jedenfalls für ihn nicht gebracht: Etwa 50 Prozent der Ausgleichsflächen seien in mangelhaftem Zustand, hier müsse nach Einschätzung der Gutachter etwas geschehen. Ähnlich hätten auch er und seine Kollegen nach Stichproben die Lage beurteilt, sagt Taschner. Für ihn ist ohnehin das wirklich Interessante, welche Konsequenzen daraus gezogen werden: "Wir können mit so einem Ergebnis nicht leben, auch das Umweltministerium sollte damit nicht leben können." Wenn die "hohe Politik" die Erkenntnisse ernst nehme, müsse sich das in der personellen Ausstattung im Naturschutzbereich niederschlagen, unterstreicht Taschner. Der derzeitige Zustand sei für alle Beteiligten unbefriedigend, beispielsweise auch für die Landwirte, die Grundstücke als Ausgleichsflächen zur Verfügung stellten und dann oft wütend darüber seien, dass diese Flächen - im negativen Sinn - verwilderten, weil es einfach nicht ausreichend Kontrollen gebe. Taschner wählt einen Vergleich: "Wenn auf einer Straße Tempo 60 ausgeschildert ist, dann fahren auch viele 100 - wenn sie ganz sicher sein können, dass nie geblitzt wird." Mit Spannung erwartet wird das Ebersberger Gutachten und die daraus resultierende Diskussion laut Taschner auch in vielen anderen Landkreisen in Bayern: "Landauf, landab gibt es nämlich das selbe Problem wie bei uns."

© SZ vom 28.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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