Todesfall in Oberpframmern:Wenn Armut lebensgefährlich wird

Ein Notstromaggregat soll ihnen zum Verhängnis geworden sein: Der Todesfall in Oberpframmern zeigt, wie Menschen aus Not zur Gefahr für sich und andere werden können.

Von Isabel Meixner, Oberpframmern

Das Ehepaar, das vergangene Woche in seiner Wohnung in Oberpframmern tot gefunden wurde, ist möglicherweise Opfer seiner Armut geworden. Im Ort glauben einige, den Hintergrund der Tragödie zu kennen: Die Eheleute hatten ein Notstromaggregat in ihrer Wohnung aufgestellt, nachdem ihnen der Strom gesperrt worden war. An den Abgasen, die nicht nach draußen geleitet wurden, starben die 53-jährige Frau und der 59-jährige Mann. Sie lebten offenbar in prekären finanziellen Verhältnissen, zumindest erzählt man das sich in Oberpframmern.

Die Kriminalpolizei Erding, die wie bei jedem unnatürlichen Tod die Ermittlungen übernommen hat, kann das Gerücht nicht bestätigen. Auch wenn es eine Stromsperre gegeben hätte: Das wäre nicht Gegenstand der Ermittlungen. "Das fällt in den rein zivilrechtlichen Sektor, damit hat die Polizei nichts zu tun", sagt Pressesprecher Reinhold Buchner.

"Es ist keine Böswilligkeit, sondern eine Notlage"

Einen derart tragischen Fall wie in Oberpframmern hat Karl Böck von der Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit der Diakonie noch nicht erlebt. Wohl aber, dass Menschen aus finanziellen Notlagen heraus erfinderisch werden und damit sich und andere damit in Gefahr bringen. Etwa, wenn sie ihre Wohnung mit dem Backofen heizen, weil sie das Geld für das Holz für den Ofen nicht mehr aufbringen, und dadurch einen Brand auslösen.

Auch Andreas Bohnert, Kreisgeschäftsführer der Caritas, kennt solche Fälle. Dass sie auch die Stromrechnung irgendwann bezahlen müssen, hätten manche Betroffenen nicht im Blick: "Wenn die Menschen dann die Rechnung nicht zahlen, ist es keine Böswilligkeit, sondern Notlage."

Günther Reiser von der Schuldnerberatung der Diakonie hat oftmals mit Menschen mit Stromschulden zu tun: "Das wird immer mehr." Er findet den Regelsatz, den Hartz-IV-Empfänger für den Strom erhalten, von derzeit 33 Euro pro Monat für eine einzelne Person zu niedrig: "Die meisten Abschlagszahlungen kosten selbst bei günstigen Anbietern 40 Euro."

Ein Lieferant hat das Recht, die Leitung abzuklemmen

Ist es verhältnismäßig, Bedürftigen den Strom zu sperren? Wenn ja, wann? Für Andreas Bohnert ist Strom Teil der Grundversorgung. Er spricht sich dafür aus, weitere Mechanismen einzubauen. Die Energiekonzerne könnten beispielsweise Kunden, die ihre Rechnung nicht bezahlen können, zunächst auf Hilfsangebote hinweisen.

Laut derzeitiger Rechtsprechung hat ein Lieferant das Recht, bei ausstehenden Zahlungen von mindestens 100 Euro die Elektrizität abzuklemmen, zumindest wenn es laut Stromgrundversorgungsverordnung "nicht außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung steht", also beispielsweise eine Familie mit kleinen Kindern oder chronisch Kranke betroffen sind. Ist der Strom erst einmal gesperrt, müssen die Schulden beglichen werden.

Wie man solche Fälle verhindert? Rechtzeitig Hilfe suchen

Sozialhilfe- und Hartz-IV-Empfänger können beim Sozialamt beantragen, dass ihre Zahlungen, oft auf Darlehensbasis, übernommen werden. Wie oft derartige Anträge gestellt werden, werde im Sozialamt nicht erfasst, sagt Evelyn Schwaiger, Pressesprecherin im Landratsamt. Auch beim Caritas-Zentrum und der Schuldnerberatung der Diakonie sind keine Daten hinterlegt; Bohnert spricht aus dem Bauch heraus von mehr als zehn Fällen im vergangenen Jahr, in denen Menschen der Strom abgedreht wurde, Reiser von zweien.

Wie man eine Verkettung tragischer Umstände, wie sie möglicherweise in Oberpframmern vorlag, in anderen Fällen verhindern kann? Bohnert und Reiser hoffen, dass sich Bedürftige rechtzeitig Hilfe suchen. Die Miete und der Strom, sagt Reiser, müssten immer an erster Stelle stehen: "Ohne Strom kein Wohnen. Es ist die Maxime, das zu bezahlen."

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