Nach der Explosion:Unfreiwilliger Auszug

Die Bewohner des Mehrfamilienhauses in Ebersberg, das durch eine Explosion schwer beschädigt wurde, versuchen nun von ihrem Hab und Gut zu retten, was noch zu retten ist

Von Anna Müller

Eine Frau trägt schnaufend einen mit Elektrogeräten gefüllten Wäschekorb zu ihrem Auto. Sie verstaut ihn in einem Anhänger neben weiteren Kisten und Körben mit Kleidung, Hygieneartikeln, wichtigen Ordnern und Unterlagen, Schmuck, Fotoalben, Büchern und anderem Hausrat oder persönlichen Gegenständen. Unter normalen Umständen hätte dieser Anblick am Montagmittag an einen ganz gewöhnlichen Umzug erinnert. Doch die Frau muss unerwartet aus ihrer Ebersberger Wohnung ausziehen. Diese gehört zu dem Mehrfamilienhaus in der Dr.-Wintrich-Straße, in dem ein 27-Jähriger, der bei der Explosion starb, vermutlich mit Benzin absichtlich eine gewaltige Detonation verursacht hatte. Die gläserne Fensterfront des Hauses ist zerborsten, doch auch in den anderen Wohnungen wurde vieles zerstört. Nun versuchen die Anwohner zu retten, was noch zu retten ist.

Schon am Sonntag konnten sie in Begleitung der Polizei- und Feuerwehrkräfte das Nötigste herausholen. "Die Anwohner durften kontrolliert das eingerüstete Haus betreten", sagt der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern-Nord, Günther Beck. Geschützt durch dicke Holzbalken, die die einsturzgefährdeten Decken und Wände abstützen, können sie nun erneut in ihre Wohnungen. Da die Vorderseite des Hauses sowie die Haupteingangstür durch Bretter verriegelt sind, besteht nur noch Zugang über die Tiefgarage.

Der Hausmeister und seine Frau wurden mit den Schlüsseln für das Haus betraut. Das Ehepaar hat die Explosion selbst miterlebt, denn sie wohnen in einem Wohnhaus direkt dahinter. "Wir waren gerade draußen und dabei, Zelte für unser kleines Straßenfest aufzubauen, als wir plötzlich einen lauten Knall hörten", erinnert sich die Frau des Hausmeisters. "Und dann hat es auch schon gebrannt und alles ist umhergeflogen." Der Hausmeister spürte die durch die Explosion entstandene Druckwelle bis in seinen Garten, "so dass es ihn umgehauen hat", wie seine Frau erzählt. Er handelte sofort, rettete eine Frau mit einer Leiter von ihrem Balkon im ersten Stock und versorgte zwei weitere Passanten, die durch Glassplitter verletzt wurden. Und auch jetzt noch unterstützt das Ehepaar tatkräftig die Aufräumarbeiten.

Nicht nur die Fassade des Wohnhauses sieht katastrophal aus, auch in den Wohnungen bietet sich ein schrecklicher Anblick. "Es ist alles kaputt", erzählt ein Helfer mit einer rot-weißen Atemschutzmaske über Mund und Nase. Seit einer Stunde hilft er nun schon einer Bekannten, "alles, was rauszuholen ist", in einem Transporter zu verstauen.

Die Frau aus der Nachbarwohnung, die gerade Kiste um Kiste aus ihrer Wohnung trägt, wirkt trotz allem ruhig, fast gelassen. Sie wird nun zunächst einmal zu ihrem Freund nach Grafing ziehen. Ihre Möbel muss sie vorerst aber zurücklassen. Diese seien zwar noch intakt, jedoch stinkt alles nach Rauch. "Ich hoffe, dass ich auch meine schönen Holzmöbel irgendwann rausholen und auslüften lassen kann", sagt sie.

Doch sie hat auch Glück im Unglück. Zwar erklärt sie, sie habe keine Hausratversicherung, doch viele ihrer Habseligkeiten seien verschont geblieben. "Sogar meine Blumen haben es überlebt", erzählt sie. "Außerdem habe ich ein sehr gutes Umfeld und bekomme sehr viel Hilfe und Anteilnahme von Außen." Ob das Haus eventuell abgerissen werden muss, sei noch nicht ganz sicher. "Bisher ist jedenfalls noch nichts eingestürzt", erklärt die Anwohnerin. Falls möglich, möchte sie ihre Wohnung auch irgendwann wieder beziehen. Die Gebäude- und Brandschutzversicherung wird den Schaden übernehmen, so dass die Anwohner die Renovierungskosten zumindest nicht selbst tragen müssen.

Das Wichtigste sei, dass außer dem bei der Explosion getöteten jungen Mann niemandem etwas zugestoßen sei: "Ich bin gesund, das ist die Hauptsache", erklärt sie. Alles, was der Nachbargemeinschaft nun bliebe, sei die ganze Angelegenheit mit Fassung zu tragen: "Jetzt ist es eh passiert, es hilft ja nichts!"

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