Grafinger Stadtpfarrkirche:Heimkehr der Heiligen

Die Altar-Figuren sind in die Ägidiuskirche zurückgekehrt. Im Februar soll es nun losgehen mit der Restaurierung

Von Rita Baedeker

Manchmal sieht sich sogar die katholische Kirche gezwungen, Heilige vom Podest zu holen. Und zwar dann, wenn die verehrten Herrschaften Staub und Schimmel angesetzt haben, die in zahlreiche Falten gelegte Garderobe zerschlissen wirkt, wenn Finger fehlen oder gebrochen sind.

In der Grafinger Stadtpfarrkirche St. Ägidius, die seit mehr als fünf Jahren runderneuert wird, stehen die fünf fast überlebensgroßen Wegbegleiter des Hochaltars auf dem kalten Steinboden. Bedürftig wirken sie, verhärmt. Kalt und rau fühlen sich "Haut" und Gewänder an. An den Stellen, an denen sich Bischofsstab oder ein anderes Attribut befand, klaffen Löcher im Holz. Das Gold ist stellenweise blind oder ganz abgeplatzt, die Füße sind schwarz und schmutzig, außer bei Ägidius, der trägt Schuhe. Auf der linken Seite vom Altar warten Paulus und Hieronymus auf ihre Heilbehandlung; rechts Petrus, Ägidius und Johannes der Täufer sowie eine kleinere um 1500 entstandene Figur, die ebenfalls den Patron der Kirche darstellt.

2009 sind die Figuren vorübergehend zu einem Restaurator gezogen

Zumindest sind sie nun endlich zurück aus ihrem acht Jahre währenden Exil bei einem Restaurator. Im Zuge der Planungen zur Umgestaltung des Altarraums im Jahr 2009 mussten die Säulenheiligen umziehen. Ihre lange Abwesenheit wurde von vielen Grafingern beklagt. Nun aber ist ein Ende des Provisoriums in Sicht: Gleich zu Beginn des neuen Jahres im Februar sollen die Arbeiten für die anstehende Restaurierung beginnen.

St. Ägidius Grafing Heiligenfiguren

Johannes der Täufer, Apostel Petrus und der Namenspatron der Grafinger Pfarrkirche, Ägidius (von links), sind nach acht Jahren wieder in ihre Heimat zurückgekehrt.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mit Ägidius, dem Patron ihrer Pfarrkirche, sind die Grafinger nicht immer respektvoll umgegangen. Lange Zeit befand sich die Figur in der Kapelle gegenüber der heutigen Hauptschule. Um den 6. Dezember, so steht es im Kirchenführer, entliehen manche Eltern den Bischofsstab fürs Nikolauskostüm. Sie "brachten ihn aber immer wieder zurück". Bei der letzten Renovierung 1963 bis 1965, so heißt es weiter, durfte der Heilige zurück auf seinen alten Platz vor dem seinerzeit wieder geöffneten gotischen Fenster. Dort sind auch Reste gotischer Fresken erkennbar. Hirschkuh und Stab kamen neu hinzu. Ägidius zählt zu den 14 Nothelfern, werdende und stillende Mütter rufen ihn an, auch für Seelenkummer ist er zuständig.

St. Ägidius Grafing Heiligenfiguren

Wo die Restauratoren überall Hand anlegen müssen, darauf weisen auch Pflaster aus Japan-Papier hin.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Prominent sind auch die Kollegen: Hieronymus hat der Legende zufolge einem Löwen den Dorn aus der Tatze gezogen, worauf dieser lammfromm wurde. Der Schlüssel gehört zum Apostel und Menschenfischer Petrus, der die Pforte zum Paradies aufschließt, Buch und Schwert kennzeichnen Paulus.

Immerhin hat man etliche Blessuren schon mal notversorgt. An manchen Stellen kleben "Pflaster" aus Japanpapier, welche die Schäden an Holz und Farbe markieren sollen. Die Firma Neubauer in Bad Endorf hat Vorarbeit geleistet und sogenannte Musterflächen bearbeitet, die nun im neuen Jahr vom Landesamt für Denkmalpflege zusammen mit dem Ressort Bauwesen und Kunst des Erzbischöflichen Ordinariats in München begutachtet und abgenommen werden.

St. Ägidius Grafing Heiligenfiguren

Risse im Holz zeugen davon, dass die Heiligen in die Jahre gekommen sind. In den 1960er-Jahren wurden sie zuletzt restauriert.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Keiner wisse, wer die Heiligenfiguren geschaffen hat, erklärt Kirchenpfleger Heinrich Hölzle. Ziemlich sicher ist nur, dass sie im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts entstanden sind. Der kleine Ägidius ist deutlich älter. "Seit 50 Jahren wurden die Figuren nicht mehr restauriert, berichtet Hölzle. Kein Wunder, dass sie gelitten haben.

Neben den Assistenzfiguren im Altarraum stehen der Hochaltar, zwei Seitenaltäre, die Kanzel, die Rahmen des Kreuzwegs und anderes mehr zur Restaurierung an. Bettina Goebner von der Pressestelle des Ordinariats kann noch nichts Genaues über den Zeitplan sagen. Doch Anfang Februar habe man einen Ortstermin mit dem Landesamt für Denkmalpflege angesetzt. Reinigen, festigen, fehlende Glieder ersetzen, Farben retuschieren, den verblassten Glanz auffrischen, darum gehe es im Wesentlichen, sagt Goebner. "Ziel ist es, Farbigkeit und Raumausstattung abzustimmen. Wenn das Landesamt sein Okay gibt, dann wird das Ordinariat die Maßnahme ausschreiben - das ist aus rechtlichen Gründen notwendig", fügt sie hinzu. Ob das Ziel, die Restaurierung an Ostern abschließen zu können, realistisch sei, bleibe abzuwarten.

St. Ägidius Grafing Heiligenfiguren

Auf der linken Seite vom Altar warten Paulus und Hieronymus auf ihre Heilbehandlung; rechts Petrus, Ägidius und Johannes der Täufer .

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Entscheidend ist in jedem Fall, dass es vorangeht und wir jetzt schon mal einen Finanzplan in Händen haben", sagt Hölzle. Vorhandene Rest-Spendengelder würden in die Finanzierung eingehen. Das sei doch eine sehr gute Nachricht, sagt auch Pfarrer Anicet Mutonkole-Muyombi. Wenigstens haben die Kirchenbesucher auf diese Weise noch eine Weile Gelegenheit, den lange vermissten Säulenheiligen die eine oder andere Bitte auf Augenhöhe vorzutragen.

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