München/Ebersberg:Überfall auf Döner-Imbiss: Der "Anführer" akzeptiert das Urteil nicht

München/Ebersberg: Bei einer Kundgebung gegen rechte Gewalt kamen vor zwei Jahren 300 Menschen im Ebersberger Klosterbauhof zusammen.

Bei einer Kundgebung gegen rechte Gewalt kamen vor zwei Jahren 300 Menschen im Ebersberger Klosterbauhof zusammen.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Nach dem Angriff am Ebersberger Bahnhof soll Markus N. deutlich kürzer in Gefängnis als von der Staatsanwalt gefordert. Sein Anwalt will nun in Revision gehen.

Aus dem Gericht von Korbinian Eisenberger, München/Ebersberg

Für Naziem S. ist es vorbei, der Fall ist für ihn abgeschlossen, "darüber bin ich einfach froh", sagt er. Es ist Donnerstagmittag, der 33-Jährige ist ein zweites Mal ins Landgericht nach München gekommen, zum Urteilsspruch, um abzuschließen mit dem, was vor knapp zwei Jahren am Bahnhof in Ebersberg begann. Den Afghanen erwischte es von allen Opfern am härtesten, auf ihn drosch der Mann mit dem Baseballschläger am öftesten ein, erst auf den Kopf, dann sackte S. zu Boden, wo ihn weitere Schläge trafen.

Den Baseballschläger hatte damals Markus N. in der Hand. Er und die sieben anderen, die am Abend des 25. September 2015 vier Menschen am Ebersberger Bahnhof verletzten, sind am Donnerstag schuldig gesprochen worden. Alle bekamen Strafen, dreimal Gefängnis, dreimal Bewährung, zwei Geldstrafen. Sieben akzeptieren das Urteil noch im Gerichtssaal, N. und sein Verteidiger hingegen nicht. Nach dem Urteilsspruch teilt N.'s Rechtsanwalt Christoph Michel mit, dass er und sein Mandant das Urteil anfechten wollen. "Wir werden sicher in Revision gehen", sagt Michel.

N., 36, wohnt wie sieben der acht Täter im Landkreis Ebersberg, er ist der älteste der Täter-Gruppe, und war zusammen mit Maximilian G. der Hauptangeklagte in dem zweiwöchigen Prozess, bei dem es um einen der schlimmsten fremdenfeindlichen Gewaltakte in der Region um München ging. Der 36-jährige N. hatte im Dönerladen ausländerfeindliche Parolen gerufen und zwei Menschen mit dem Baseballschläger verletzt, darunter auch Naziem S. Richterin Regina Holstein bezeichnete ihn als den "Anführer" der Gruppe und verurteilte ihn von allen am härtesten. N. soll für vier Jahre und drei Monate ins Gefängnis, auch weil er mehrfach einschlägig vorbestraft ist.

"So wichtig sind die acht nicht", sagt sein Anwalt

Neben schwerer Körperverletzung und Volksverhetzung ist N. diesmal unter anderem wegen "Bildung einer bewaffneten Gruppe" verurteilt worden. Und um diesen letzten Punkt geht es nun seinem Verteidiger Christoph Michel. "Wenn wir das widerlegen können, würde das die Strafe um einige Monate verkürzen", glaubt Michel. Seiner Rechtsauffassung nach habe das Gericht den entsprechenden Paragrafen unsauber ausgelegt. Von einer bewaffneten Gruppe könne man rein rechtlich nur reden, "wenn dadurch staatliches Gewaltmonopol gefährdet ist", so Michel. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. "So wichtig sind die acht nicht", sagt Michel.

Anders als für die Opfer ist der Fall für N. und seinen Verteidiger damit aller Voraussicht nach noch nicht erledigt. Zumal auch Staatsanwalt Alexander Strafner das Urteil gegen N. noch nicht akzeptiert hat. Strafner hatte in seinem Plädoyer knapp sieben Jahre Haft für N. beantragt, und damit deutlich mehr als bei den anderen sieben Angeklagten. Am Donnerstag teilt Strafner mit, dass er den Fall N. in den kommenden Tagen "prüfen" wolle. Strafner hatte fünf Urteile akzeptiert, bei N. sowie bei Andreas S. und Stefan G. überlegt die Staatsanwaltschaft nun, ob sie hier ebenfalls in Revision geht.

Bei einer Revision nach einem Landgerichts-Prozess wird ein Fall anders als bei einer Berufung am Amtsgericht nicht neu verhandelt. Stattdessen wird das Landgerichts-Urteil zum Bundesgerichtshof nach Karlsruhe gegeben, wo es ein Richter auf Rechtsfehler überprüft. Würde sich hier nun ein solcher Fehler finden, müsste das Landgericht München II den Fall erneut verhandeln, allerdings in einer anderen Kammer mit einem neuen Richter.

Es vergeht dann Zeit, bis ein Urteil rechtskräftig ist, für den Angeklagten ist das Warten oft langwierig. Die meisten Revisionen werden verworfen, manche sind erfolgreich - die Revision kann aber auch nach hinten losgehen, das Strafmaß kann sich theoretisch erhöhen. Dass dies passiere, befürchte er allerdings "gar nicht", so Michel.

Gegen Mittag steht Naziem S. noch mit Abdul M. im Gericht zusammen, der 18-Jährige war damals ebenfalls im Laden, als Mitarbeiter, auch er bekam Schläge ab. "Ich bin ein bisschen weiter mit der Aufarbeitung", sagt er. Dann nimmt er seine Tasche und geht durch das Drehkreuz ins Freie.

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