Grafinger Bewegungskünstler:Artistik in der Kirche

Die Schüler von "Movimento" gestalten in der Würzburger Johanniskirche eine Gedenkveranstaltung zum Kriegsende - eine anspruchsvolle Aufgabe.

Von Anja Blum, Grafing

Mutter und Tochter nehmen Abschied voneinander - für immer. Die Mutter und das Publikum wissen das, die Tochter ahnt es vielleicht. Die beiden sind Jüdinnen in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur. Dargestellt werden sie von zwei Mädchen am Vertikalseil - ein akrobatisches Sinnbild für Harmonie und Verbundenheit. Dazu erklingt der Soundtrack des Films "Schindlers Liste", live gespielt von Harfe und Cello. Gänsehaut pur.

Grafinger Bewegungskünstler: Akrobatik in der Kirche ist für die Gruppe "Movimento" nichts Neues. Das Foto zeigt einen Auftritt anlässlich der Langen Nacht der Kirchen in der Stadtpfarrkirche St. Ägidius in Grafing. Bilder von Krieg und Frieden, ausgedrückt in Bewegung, zeigen die Schüler auch in der Würzburger Johanniskirche.

Akrobatik in der Kirche ist für die Gruppe "Movimento" nichts Neues. Das Foto zeigt einen Auftritt anlässlich der Langen Nacht der Kirchen in der Stadtpfarrkirche St. Ägidius in Grafing. Bilder von Krieg und Frieden, ausgedrückt in Bewegung, zeigen die Schüler auch in der Würzburger Johanniskirche.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

"Bis Krieg uns lehrt, was Frieden bedeutet": "Das Thema war und ist wirklich schwere Kost für uns", sagt Stefan Eberherr, Chef der Grafinger Gruppe "Movimento" und Schöpfer der oben beschriebenen Szene. "Aber auch eine tolle Herausforderung." In Eberherrs Truppe widmen sich mehr als 300 Schülerinnen und Schüler des Grafinger Gymnasiums allen Arten der Bewegungskünste.

An diesem Donnerstag, 7. Mai, gestaltet Movimento eine Gedenkveranstaltung zum 70. Jahrestag des Kriegsendes in der Würzburger Johanniskirche, einem Symbol für Zerstörung und Wiederaufbau. Unterstützt werden die Grafinger dabei vom Chor eines Würzburger Gymnasiums. Veranstalter sind der Bayerische Landtag, das Kulturreferat der Stadt Würzburg und die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. Direktor der letzteren ist Harald Parigger, vormals Schulleiter in Grafing - was das bemerkenswerte Gastspiel von Movimento erklärt. "Ihm war von Anfang an wichtig, dass das eine Veranstaltung von Jugendlichen für Jugendliche wird", erzählt Eberherr, "und da hat er natürlich gleich an uns gedacht." Parigger wisse eben, dass Movimento bereits zwei Mal in einer Kirche aufgetreten sei und auch ernste Themen beherrsche.

16 "Bilder" rund um Krieg und Frieden, die Artistik, Tanz, Musik, Videos und Texte miteinander verbinden, hat Sportlehrer Eberherr mit seinen Schützlingen für die Veranstaltung entworfen. Am Anfang standen viele Monate konzeptioneller Arbeit, dann folgte eine intensive Probenphase. "Es ist nicht einfach, aber ungemein wichtig, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen", sagt der Chef und lobt die Gymnasiasten: Die Schüler hätten sich wunderbar in die Problematik hineingedacht, vieles selbst choreografiert und zeigten eine sehr emotionale künstlerische Umsetzung. "Das hat großen Tiefgang."

Bereits das Opening wird vermutlich an die Nieren gehen: Das Publikum sieht ein Originalvideo vom Luftangriff auf Würzburg und danach eine Animation der Schüler, die den Zusammenbruch der Johanniskirche zeigt - aus der Innenperspektive. Das Thema "Trümmerkinder" wird in einer Art Theaterszene dargestellt, an der auch die Partnerklassen der Korbinianschule mitwirken. "Zunächst sind die Kinder traurig, weil alles zerstört ist, aber dann finden sie inmitten der Trümmer doch ein paar Dinge zum Spielen, und es keimt wieder Hoffnung auf", erklärt Eberherr.

Das Thema Besatzung behandelt Movimento als Schattenspiel, es zeigt eine Kneipenszene und eine Liebesbeziehung. Die Zerstörung der Städte wiederum thematisiert eine Videosequenz. "Dafür haben wir ganz tolles Material vom Bayerischen Rundfunk bekommen." Den Wiederaufbau, wie könnte es anders sein, versinnbildlicht eine Akrobatiknummer, zum Finale gibt es eine große Kerzenprozession zum Friedensklassiker "Imagine".

Klar ist, dass für solch ein Programm viel Aufwand betrieben werden muss. "Wir bauen die Kirche komplett um", sagt Eberherr. Eine Bühne, ein Reck für die Technik, Hängepunkte für die Luftakrobatik - all das sei für diesen Abend nötig. Doch für die Pfarrei sei das kein Problem: "Das ist alles sehr unkompliziert hier, wir haben sehr viele Freiheiten", freut sich der Grafinger. Und der karge Kirchenraum mit seinem Kirchturmrumpf im Inneren - dem einzigen Überbleibsel des einstigen Bauwerks - passe hervorragend zum Programm. Klingt so, als würde einem ergreifenden Abend nichts im Wege stehen.

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