Movimento-Artisten:Pause mit offenem Ende

Movimento-Artisten: Beim Ebersberger Kulturfeuer begeisterten die Movimentos mit abendfüllenden Vorstellungen.

Beim Ebersberger Kulturfeuer begeisterten die Movimentos mit abendfüllenden Vorstellungen.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Die Gruppe für Bewegungskünste Movimento am Grafinger Gymnasium fährt im nächsten Schuljahr ihr Programm stark zurück und tritt nicht mehr auf. Einige befürchten das endgültige Aus

Von Barbara Mooser, Grafing

Offiziell ist es nur eine Pause, doch viele fürchten, es ist das Ende: Die international renommierte Bewegungskünstegruppe Movimento des Grafinger Gymnasiums wird vom nächsten Schuljahr an ihr Programm massiv zurückfahren. Viel weniger Proben, keine Auftritte - Stefan Eberherr, der die Gruppe in den vergangenen Jahren mit gewaltigem Zeitaufwand und enormem Engagement zu ihrer heutigen Größe geführt hat, begründet das unter anderem damit, dass er künftig stärker durch andere Aufgaben gebunden ist.

Gemunkelt wird im Umfeld der Schule freilich, die tatsächlichen Gründe lägen woanders: bei Schulleiter Paul Schötz, der für diesen Aspekt des Schullebens wenig Interesse aufbringen könne. Eine ganz böswillige Unterstellung sei das, sagt der - im Gegenteil habe er sich im Ministerium für eine zusätzliche Förderung des Bereichs eingesetzt, der ein wichtiges Aushängeschild der Schule sei.

Fakt ist jedenfalls, dass in den Bereichen Tanz, Einradfahren und Jonglage zumindest im nächsten Schuljahr keine Wahlkurse angeboten werden. Übrig bleiben drei Akrobatik-Wahlkurse. Aufführungen sind bis auf Weiteres nicht mehr geplant. "Es ist ein schwerer Schritt, aber bevor ich zusammenbreche, schränke ich mich eben jetzt ein", sagt Stefan Eberherr dazu. Der 46-Jährige unterrichtet seit elf Jahren Sport und Mathematik in Grafing und steht seit sechs Jahren hinter Movimento. Die Gruppe, an der derzeit etwa 350 Kinder und Jugendliche beteiligt sind, habe durch die Mitarbeit und die Kreativität vieler Schüler und ehemaliger Schüler eine große Eigendynamik entwickelt, sagt Eberherr. Dies sei auf der einen Seite großartig, habe aber auf der anderen Seite auch immer mehr Zeit beansprucht.

Stefan Eberherr begründet seinen Rückzug mit Zeitnot

Zu den vier Stunden, die er regulär im Rahmen des Wahlkursangebots geleistet habe, seien jede Woche sechs bis acht Stunden darüber hinaus dazu gekommen, außerdem Projekte, Auftritte, Reisen. Und im nächsten Schuljahr wird die Aufgabenfülle in der Schulleitung, der Eberherr ebenfalls angehört, zunehmen, da das Team künftig aufgrund der sinkenden Schülerzahl nur noch aus vier statt wie bisher aus fünf Pädagogen bestehen wird. Gründe, die darüber hinaus gehen, nennt Eberherr nicht - es gibt allerdings seit längerem Gerüchte, dass dem Schulleiter die Bedeutung von Movimento für die Schule nicht klar sei, dass es auch zwischenmenschlich haken soll.

"Blamabel" sei diese Entwicklung für die Schule, sagt eine Mutter. Es bestehe in der Elternschaft die Sorge, dass durch die angebliche Pause von Movimento das Wissen und Können verloren geht - und dass Eberherr möglicherweise sogar an eine andere Schule wechselt. Auch an Bewegungskünsten interessierte Schüler könnten sich, so die Vermutung einiger, anders orientieren und künftig eher das Gymnasium Kirchseeon mit seinem dortigen Sporttheater wählen.

Nach Angaben des Schulleiters selbst ist es jedoch "infamer ungeheuerlicher Unsinn", der derzeit über die Hintergründe der Movimento-Pause verbreitet wird. Ihm selbst sei die Bedeutung der Gruppe sehr bewusst, er habe auch am Stundenbudget, das Eberherr dafür zur Verfügung habe, nichts geändert, betont Paul Schötz. Überdies habe er sogar beim Ministerialdirigenten vorgesprochen, um ihm diese Besonderheit des Gymnasiums vor Augen zu führen und über ein Sonderbudget an Stunden hierfür zu verhandeln. Dies sei zwar zunächst nicht gelungen, "aber ich habe Hoffnungen, dass sich noch etwas bewegt".

Der Direktor weist jede Schuld von sich

Umso enttäuschter sei er, dass er nun - wie schon beim Weggang von Hedwig Gruber mit ihrem Jugendorchester - zu Unrecht als Schuldiger gelte. Einigkeit besteht über eines: dass es "extrem schade" wäre, wenn es Movimento künftig nur noch auf Sparflamme oder möglicherweise gar mehr gibt. Das sagt auch Kristina Nitsche aus dem Elternbeirat: "Mir würde das sehr leid tun, es ist ein Aushängeschild." Ähnlich sieht es Anette Apfelbacher, die Vorsitzende des Schulvereins: "Für die Schüler ist das eine wahnsinnige Bereicherung, nicht nur wegen dem sportlichen oder dem Spaßfaktor. Sie lernen so viel im zwischenmenschlichen Bereich durch ihre gemeinsamen Aktionen, ihre Reisen. Soziales Lernen ist schließlich auch ein wichtiger Teil der Bildung."

Die betrüblichen Neuigkeiten aus Grafing dringen gerade zu einer Zeit an die Öffentlichkeit, in der es eigentlich gerade wieder tolle Neuigkeiten von Movimento zu berichten gibt: Vom 11. bis zum 19. Juli darf die Gruppe nach Finnland zur 15. Weltgymnaestrada reisen. Mehr als 20 000 Teilnehmer aus der ganzen Welt sind dort mit von der Partie - und eben auch Akrobaten, Seiltänzer, Einradfahrer, Jongleure und Luftartisten vom Grafinger Gymnasium.

An derartige Nachrichten hat man sich in Grafing und im ganzen Landkreis fast schon gewöhnt, was freilich am kollektiv empfundenen Stolz nichts ändert: Denn was Movimento in den vergangenen Jahren geleistet hat, geht weit über das hinaus, was man von einer Schülertruppe erwarten würde. Beim "Kulturfeuer" im vergangenen Jahr zeigte die Artistengruppe viermal ein umjubeltes, abendfüllendes Programm; zuletzt beeindruckte Movimento bei einer Gedenkfeier zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Würzburg.

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