Moosach:In der Werkstatt gärt es

Künstler im Landkreis haben sich für die Ferien so einiges vorgenommen. Andreas H. Schroll aus Moosach zum Beispiel entwickelt sich gerade vom Bühnenbildner zum Bierbrauer. SZ-Serie Sommer-Atelier, Teil 1

Von Rita Baedeker, Moosach

"Ich habe wieder gebraut", sagt Andreas Schroll und lacht. Seine Stimme klingt ein wenig verlegen, fast so, als wolle er eine Sünde gestehen, von der er nun mal beim besten Willen nicht lassen kann. Seit der Moosacher Architekt und Bühnenbildner bei der jüngsten Atelierdiagonale Anfang Juni nicht nur mit bronzener, sondern auch mit flüssiger Kunst Furore machte, haben Hopfen und Malz seine Leidenschaft geweckt.

Rotes Bier, Märzen, Helles und dunkles Weizen wurden damals an die Gäste des Künstlerfestes in der Werkstatt von Hubert Maier und Maja Ott unter dem Motto "100 Jahre Dada und 500 Jahre Reinheitsgebot - macht 600 Jahre Rausch" ausgeschenkt. Entstanden ist die Idee "als Schnapsidee bei einem Glas Wein", wie Schroll erzählt. Der Trunk sei ein voller Erfolg gewesen. "Ehrlich gesagt wurde ich danach mit Anfragen, ob noch was von dem Bier da sei, geradezu überrannt. Da wäre es doch Blödsinn aufzuhören."

Lange müssen seine Fans aber nicht mehr warten. Gerade ist wieder ein Schwung fertig geworden. Der Trunk Marke Eigenbräu ist für Freunde bestimmt, als Mitbringsel und Kostprobe. Auch eine Bier-Sommelière habe schon ihr Interesse angemeldet. Kommerziell betreibt Schroll das Handwerk nicht, dennoch gleicht sein Atelier mittlerweile einer kleinen Braustätte, einem Laboratorium aus Plastikbehältern, Wannen, Schläuchen, Flaschen, aus Dingen wie Gärfass, soliden Bügelverschlüssen, Abfüllpistole, Schöpfkellen und zahlreichen anderen Gerätschaften. Statt Kaffee bietet er Besuchern stolz ein Glas Helles an und referiert dabei sachkundig über Bierwürze und Hopfensorten.

Zur Demonstration öffnet Schroll ein Plastikdöschen mit grasgrünen, zu Pellets gepressten Dolden. Dem Behältnis entströmt sogleich ein intensiver herb-zitroniger Duft. In einer anderen Schale befindet sich geschrotetes Malz. Den Sudtopf zum Einmaischen leiht er sich bei der kleinen Brauerei in Unterhaching, bei der er seinen Brauerkurs absolviert hat, aus. Von dort bezieht er auch Malz, Hopfen, Gerste und Rezepturen. "Ich habe jetzt damit begonnen, ein wenig zu experimentieren, etwa mit Gewürzen", sagt Schroll, "aber immer streng nach dem Reinheitsgebot." Natürlich könne es sein, dass sich dabei manch einem Brauer der Magen umdrehe.

Wenn Andreas Schroll über die Faszination des Brauens spricht, dann kommt er immer wieder auf die Kunst und auf seinen Beruf zu sprechen. "Als Architekt und Bühnenbildner habe ich immer schon gerne etwas in die Hand genommen. Ein Tag gibt mir mehr Erfüllung, wenn abends etwas da steht, das man betrachten und anfassen kann. Das kann ein Modell für ein Bühnenbild sein, aber auch etwas zum Essen oder eben Trinken", sagt Schroll, der mit Leidenschaft und Fantasie kocht. Zum Beispiel hat er mal Weißwürste im Wok zubereitet - mit Erdnuss-Sauce. "Ich hoffe, meine bayerischen Freunde sind jetzt nicht sauer", sagt er lachend.

Die Freude am schöpferischen Prozess steckt eben im Bühnenbildner und im Brauer gleichermaßen. Schroll hat in der Ära von Dieter Dorn eine Zeitlang als Werkstattleiter an den Münchner Kammerspielen gearbeitet und dort für Inszenierungen von Faust I bis zu Kroetz, Achternbusch, Tabori und Beckett Bühnenbilder gebaut. Er war außerdem für Szenebilder in Kinofilmen und Fernsehserien, unter anderem dem "Tatort", zuständig; er arbeitete in den Babelsberg-Studios, hat für den BR Kindersendungen ausgestattet. Dieter Wedel hat ihn für seine Nibelungen-Festspiele in Worms engagiert. "Bei der Motivsuche bin ich pingelig; aber wenn ich etwas mache, dann entweder ganz oder gar nicht", erklärt Schroll. Das gelte auch fürs Bierbrauen.

Seit 13 Jahren hat Andreas Schroll das Atelier in Moosach, seit vier Jahren wohnt er im Ort. Das von namhaften Künstlern geprägte Dorf lernte er durch einen Freund aus Norddeutschland, der sich in Moosach verheiratete, kennen. Er sei auf der Suche nach einem Atelier gewesen und der Freund habe ihn an die Nachbarn verwiesen: den Bildhauer Hubert Maier und die Malerin Maja Ott. Dort war gerade ein Raum frei geworden.

"Ich werde auf jeden Fall weitermachen mit dem Brauen, ich weiß nur noch nicht genau wie", sagt Schroll. Jetzt in den Sommerferien werde er sich einige kleine Brauereien im Land anschauen. "Ein Schroll-Bräu gibt es leider schon, in der Nähe von Bayreuth", berichtet er. "Ich muss mir das alles erst mal in Ruhe überlegen."

Die Sommerferien wolle er als Denkpause nutzen, um zu sehen, wohin die Reise geht. Schließlich hat Schroll noch andere Projekte in Arbeit. Zum Beispiel bereitet er eine Ausstellung der an der Diagonale beteiligten Künstler im Raum Starnberg vor. Was dann vom Sommer übrig bleibt, nutzt er für Reisen, um zu fotografieren, ein wichtiger Aspekt seines Kunstschaffens, und um sich Museen anzusehen, etwa das von der kürzlich verstorbenen Architektin Zaha Hadid erbaute Wissenschaftsmuseum "Phæno" in Wolfsburg.

Schließlich ist er auch noch journalistisch für den BR tätig und Bier zapfender "Wirt" beim Sonntagsstammtisch im Bayerischen Fernsehen. "Ich arbeite oft bis zu 18 Stunden am Tag", sagt Schroll, "am liebsten nachts, bis die Sonne aufgeht." Und übrigens: Sein eigenes Bier schmecke ihm auch selber gut. Er habe gehört, manche Brauer würden schon in aller Herrgottsfrüh ein Glas trinken. Daran aber, so Schroll, werde er sich nicht gewöhnen.

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