Moosach:Gartenbauverband irritiert Mitglieder mit indiskreten Fragen

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Ist der Rasen getrimmt? Wo kommen die Primeln hin? Der Gartenbauverband stellte seine Mitglieder nun vor ganz andere Fragen. (Foto: Catherina Hess)
  • Der Bayerische Gartenbauverband und die Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau haben eine Mitgliederbefragung durchgeführt.
  • Die Mitglieder sahen sich dabei plötzlich Fragen ausgesetzt, die nur bedingt mit Gartenbau zu tun haben.
  • Dem Verband zufolge helfen die Fragen dabei, das Milieu der Gartenbauern zuverlässig zu klassifizieren.

Von Jan Schwenkenbecher, Moosach

"Zunächst war alles okay", sagt Elisabeth von Mahs vom Gartenbauverein Moosach. Seit etwa 20 Jahren ist Gärtnern eines ihrer Hobbys, weshalb sie sich nichts dabei dachte, an einer Online-Befragung des Bayrischen Landesverbands für Gartenbau und der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) teilzunehmen. "Doch dann kam ich zum letzten Teil, da wurde ich stutzig." Als der Bildschirm von Mahs den dritten Fragebogenblock der Befragung präsentierte, war von Mahs - gelinde gesagt - verwirrt.

"Ich schaue mir gern Filme an, in denen viel Gewalt vorkommt. Ich bin für die Gleichberechtigung homosexueller Lebensweisen in unserer Gesellschaft. Ich liebe riskante Hobbys (z. B. Drachenfliegen, Motorradfahren, Bergsteigen, Fallschirmspringen). Trifft das ganz genau, eher, eher nicht oder überhaupt nicht zu?" Als diese Fragen vor der 68-Jährigen flimmerten, brach sie die Umfrage ab. Auch Harald Käsbauer von der Kreisfachberatung für Gartenkultur im Landratsamt Ebersberg war empört: "Beim Thema Freizeitgartenbau denkt man sich nichts und die ersten Fragen waren harmlos", beschreibt Käsbauer seinen Eindruck. "Den letzten Teil fand ich merkwürdig. Da kamen Fragen, die ich nicht beantworten wollte. Das hat mich verärgert. Ich weiß bis heute nicht, was die Fragen sollten."

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Dabei hatten die beiden Verbände Sinn und Zweck der Umfrage doch vorher schon genannt: "Ziel der Studie ist es", so stand es in der E-Mail, die alle Mitglieder bayerischer Gartenbauvereine dazu einlud, an der Umfrage teilzunehmen, "Ihre Interessen rund um Ihren Garten umfassend zu verstehen und Ihren Wünschen an uns künftig noch besser Rechnung tragen zu können." Oder, wie es Lutz Popp vom Landesverband formuliert: "Man will rausfinden, wie die bayerischen Freizeitgärtner so ticken, was deren Vorstellungen von Garten sind, was sie sich erwarten, was besser oder mehr angeboten werden kann."

Warum aber der letzte Fragenblock? Zwar beantworten die Gartenbauer den Fragebogen anonym. Dennoch bleibt offen, wie Gewaltfilme und Homosexualität etwa mit dem Seminarangebot für Freizeitgärtner zusammenhängen. "Diese Fragen hat das Sinus-Institut formuliert", sagt Andreas Becker von der LGW. "Sie dienen dazu, das Wertemuster der Befragten herauszubekommen, um die Teilnehmer zu bestimmten Milieus zuordnen zu können." Das Sinus-Institut ist ein privates Markt- und Sozialforschungsinstitut, es hat die Studie im Auftrag der beiden Verbände vorgenommen.

Seit Anfang der 1980er Jahre erforscht es die verschiedenen Lebenswelten und Werteauffassungen der Menschen und unterteilt die Bevölkerung in Gruppen, die sogenannten Sinus-Milieus. Die Kategorien werden stets weiterentwickelt und jährlich aktualisiert. Momentan gibt es zehn verschiedene, in die lassen sich aus Forschersicht alle Menschen eingruppieren. Die Ergebnisse nutzen politische Parteien, Ministerien, Gewerkschaften, aber auch Medienunternehmen und Werbeagenturen. Oder Gartenbauverbände.

Fragt das Sinus-Institut nun, wie groß der eigene Garten ist, dient das dazu, das Angebot verbessern zu können. Sollte es mehr Seminare zum Thema Obstbäume geben, oder doch eher zu Balkonpflanzen? Fragt das Sinus-Institut, ob man gerne exotische Gerichte (etwa aus Indien, Japan oder Mexiko) isst, dient das ebenfalls dazu, das Angebot zu verbessern. Wer die Frage bejaht, fällt eher ins expeditive Milieu, ist "auf der Suche nach neuen Grenzen und neuen Lösungen", wie das Sinus-Institut diese Gruppe beschreibt. Bleibt man lieber bei der Haxn, gehört man eher zum traditionellen Milieu, zur "Sicherheit und Ordnung liebenden älteren Generation". Wissen die Verbände nun, aus welchen Sinus-Milieus ihre Mitglieder kommen, können sie so ihr Angebot ausrichten.

Beim Verband ist man bemüht, das Forschungsinstitut schweigt

"Sind wir mit dem Bildungsangebot noch richtig, müssen wir mehr Apps machen, mehr Kurzfilme, wo geht's hin?", fasst Andreas Becker, der in der LWG die Gartenakademie leitet das Interesse an den Sinus-Milieus zusammen. "Solche Entscheidungen wollen wir nicht aus dem Bauch heraus treffen, sondern abgestimmt mit den Freizeitgärtnern." Deswegen die Umfrage.

Dass auch dem Sinus-Institut daran gelegen ist, seine Milieu-Forschung mit den etwa 1470 ausgefüllten Fragebögen - so viele Freizeitgärtner haben die Umfrage derzeit ausgefüllt - weiterzutreiben, lässt sich nicht ausschließen. Beim Forschungsinstitut selbst hat man es eher mit dem Fragen als dem Antworten und möchte keine Auskunft geben.

Noch bis Anfang 2017 können die Freizeitgärtner Bayerns an der Umfrage teilnehmen, bis April sollen die Ergebnisse vorliegen, sagt Andreas Becker. Er gesteht ein, dass an den letzten Fragen teils starke Kritik gab. Doch in der Menge halte die sich in Grenzen. Bisher seien bei ihm rund 20 bis 30 Beschwerdemails eingegangen. Dennoch möchte er darauf reagieren. "Wir werden uns da in nächster Zeit mit dem Sinus-Institut unterhalten", so Becker, "ob man die Fragen in Zukunft auch so formulieren könnte, dass die Akzeptanz steigt."

Für Lutz Popp ist die Sache einfacher: "Ich verstehe die Aufregung nicht so ganz. Wenn jemand die Fragen nicht beantworten möchte, kann er ja abbrechen." Doch um die Fragen selbst geht es Elisabeth von Mahs gar nicht: "Ich mag es nicht, wenn ich das Gefühl habe, veralbert zu werden. Die Fragen finde ich ja gar nicht schlimm", sagt sie und fügt nach einer kurzen Denkpause noch ein Prämisse hinzu, wann sie die Umfrage bereitwillig abgeschlossen hätte: "wenn das kommuniziert wird." Wenn das Sinus-Institut erklärt hätte, was Sinus-Milieus sind. Wenn also den Hobby-Gärtnern erklärt worden wäre, warum Lieblingsfilm und Leibgericht wichtig für das Seminar-Angebot an der Gartenakademie sind.

© SZ vom 05.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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