Moosach:Die Bühne als Atelier

Micro Oper Cornelia Melian, "Winter"

Auf der Flucht - doch wohin? Performerin Cornelia Melián präsentiert im Moosacher Meta-Theater ihr engagiertes Bühnenprojekt "Winter".

(Foto: oh)

Das Meta-Theater in Moosach beteiligt sich mit zwei Veranstaltungen

Von Anja Blum, Moosach

Ist das noch Theater, oder eher schon Installation, bildende Kunst gar? Nicht eindeutig zu beantworten ist diese Frage mit Blick auf die zwei Veranstaltungen, die das Meta-Theater in Moosach zur Atelierdiagonale beisteuert. "Aber genau deswegen passt das ja auch so gut zusammen", sagt Bühnenchef Axel Tangerding und lächelt salomonisch. Und: "Gemeinsame Projekte wie dieses sind so wichtig, weil sie die Kunst vor Ort sichtbar machen." Also hat Tangerding mit seiner Lebensgefährtin Cornelia Melián für dieses Wochenende zwei besondere Inszenierungen ausgesucht: das Projekt "Winter" von der Micro Oper München sowie ein musikalisches Kindertheater namens "Mix Match", ebenfalls aus München.

In "Winter" steht Melián, die Gründerin des freien Ensembles namens Micro Oper, selbst auf der Bühne - Grundlage der Inszenierung im Sinne einer "Fundgrube" ist Franz Schuberts Liederzyklus "Winterreise" nach Gedichten von Wilhelm Müller. Es ist ein Projekt, das viele Bühnenmittel vereint: Musik, Gesang, elektronischer Klang, Videokunst, Literarisches sowie freilich schauspielerische und szenische Elemente. Die Idee dazu stammt von Melián. 2015 sieht sie in Mazedonien Tracks von Flüchtlingen an sich vorüberziehen. Männer, Frauen, Kinder. Zu Fuß und auf dem Fahrrad, von der sengenden Hitze erschöpft, nur das Nötigste haben sie in Plastiktüten gepackt. "Das hat mich nachhaltig beeindruckt", sagt die Sängerin und Performerin, "darauf wollte ich mich in meiner künstlerischen Arbeit beziehen."

In diesem Bewusstsein kam ihr der einsame Wanderer Schuberts in den Sinn, der ebenfalls ohne irgendeine Absicherung alles verlässt, einfach aufbricht. Obendrein ähneln die Zeichen der Zeit heute der damaligen Situation von 1827, als das Werk entstand. "Wir erleben, wie die freie westliche Welt in sozialer Kälte erstarrt. ... Nach dem Wiener Kongress von 1815 wucherte Skepsis gegen alle freiheitlichen Ideen, die die Französische Revolution hatte erblühen lassen. Anstelle von Freiheit herrschten Unterdrückung und Zensur", heißt es im Flyer zu "Winter".

Die Liedtexte hätten die Macher freilich modifiziert, sagt Melián, sie seien aber wiederzuerkennen. "Nur das ganze Liebesleid haben wir freilich rausgelassen." Und es sei bemerkenswert, als wie modern sich die alten Verse in diesem neuen Kontext erwiesen hätten. "Eine Straße muss ich gehen, die noch keiner ging zurück." Auch der geheimnisvolle Gefährte des Wanderers, der Leiermann, tauche in der neuen Inszenierung immer wieder auf. "Denn er könnte vieles sein: der Tod, ein Alter Ego oder die Idee eines neuen Lebens vielleicht?" Zentrum ist schließlich das Thema Flucht.

Eine drastische Szene: Melián steht in einem zum Mantel umgenähten Schlafsack vor einem entmenschlichten Raum, einem dunklen Autotunnel, zu einem drängenden Techno-Beat vermischen sich "Weiter"-Rufe und atemloses Rennen. Im Meta-Theater am Samstag, 1. Juli, um 22 Uhr wird ein Videomitschnitt der Aufführungen in München zu sehen sein, Premiere war dort erst vor ein paar Monaten. Dazu gibt es in Moosach Liveacts von Melián. "Vielleicht werde ich ein paar Originallieder singen und dann zeigen, was wir daraus gemacht haben."

Eine Expedition ins Reich der Fantasie ist auch "Mix Match", ein musikalisches Kindertheater für alle ab vier Jahren. Die Schauspielerin Judith Huber und der Musiker Peter Pichler haben sich gefunden - für ein Objekttheater, fast ohne Worte, magisch und komisch zugleich. Unbefangen und subversiv werden hier die absurdesten Dinge frech miteinander in Verbindung gebracht: Die Schauspielerin verwandelt sich vor den Augen der Zuschauer in wundersame Mischmasch-Wesen. Männlich und weiblich, groß und klein, Tier und Mensch, Vergangenheit und Zukunft - in diesem traumhaften Bühnenbilderbuch wird wild alles durcheinander gewirbelt. Dazu produziert das Mixturtrautonium - ein heute musealer Vorläufer des Synthesizers - anarchisch-schräge Geräusche und Töne. Zu erleben ist dieser "Mix Match" im Meta-Theater am Sonntag, 2. Juli, um 15.30 Uhr.

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