Mitten in Vaterstetten:30 ist das neue 70

Die Oldies in der Gemeinde können vom Seniorentag auf dem Volksfest anschließend gleich zur Ü-30-Party rüber machen

Von Wieland Bögel

Wer alt werden will, hatte es noch nie so leicht wie heute. Zu keiner Zeit war die Lebenserwartung so hoch, genau wie die Lebensqualität bis ins hohe Alter. Wobei hoch ja auch gar nicht mehr so hoch ist, wie es klingt, schließlich vermelden die Lifestyle-Medien ständig, was denn nun wieder "das neue 30" ist. Inzwischen sicher schon das einwohnermeldeamtliche 60 oder 70. Weltweit und besonders in der bunten Welt der Werbung hüpfen rüstige Senioren derart wild herum, wie es die meisten echten 30-Jährigen kaum zuwege brächten. Das Alter, muss man konstatieren, ist total von gestern. Außer in Vaterstetten. Da hat man es mit dem Altern noch leichter als anderswo. Da gilt nämlich bereits als Senior, wer den 30. Geburtstag hinter sich hat.

Zumindest auf dem Volksfest, dort ist an diesem Montag mal wieder der traditionelle Seniorentag. Die Tradition besteht darin, dass die Gemeinde alle ihre Bürger über 70 zu einer ganzen Mass Bier und einem halben Hendl einlädt. Auch wenn aus Spargründen inzwischen streng darauf geachtet wird, dass die Gaben ausschließlich an Anspruchsberechtigte - nicht etwa an deren Angehörige, trotz besserer Zähne und aktiverer Lebern - ausgegeben werden, und das auch nur in einem engen Zeitkorridor, hält man grundsätzlich an der Tradition fest.

Und hat sie heuer um einen Tagesordnungspunkt erweitert, neben Bier, Brathuhn und Blasmusik am Nachmittag gibt es diesmal am frühen Abend auch eine Flirtparty. Genauer eine Ü30-Flirtparty. Also für Senioren jenseits der 30. Auch wenn nun erbsenzählerische Naturen völlig zu Recht einwenden, dass wer Ü70, eben auch Ü30 ist, ist die Kombination aus Seniorentag und Ü30-Party für die jüngeren Alten doch zunächst ein wenig gewöhnungsbedürftig. Ist 30 jetzt das neue 70? Und 70 das neue 160? Und bekommen 30-Jährige dann wenigstens zum Trost für ihr frühes Dahinwelken auch ein Bier und ein Hendl auf Gemeindekosten?

Zumindest Letzteres kann ohne weitere Überlegung verneint werden, das gibt die Gemeindekasse auf keinen Fall her. Aber, dass man die etwas jüngeren Alten nun auch zum Seniorentag einlädt, ist durchaus sinnvoll. Schließlich bietet der 30. Geburtstag doch einen guten Anlass, sich einmal mit der Vergänglichkeit zu beschäftigen.

Ganz im Sinne des alten Salomo, den die lateinische Übersetzung mit den Worten "Vanitas vanitatum et omnia vanitas" - alles ist so was von vergänglich - zitiert, kann man damit ja gar nicht früh genug anfangen. Eigentlich könnte es am Seniorentag darum ruhig eine Ü20-Party geben, denn dass man "so jung nimmer zam" kommt, ist ja quasi schon eine Bierzeltweisheit - ein Prosit auf das Alter, egal welches.

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