Mitten in Steinhöring:Keine Peitsche, nur Zuckerbrot

In Steinhöring will man Geld dafür ausgeben, dass die Autofahrer einfach so weitermachen wie bisher

Von annalena ehrlicher

Im ausgehenden 19. Jahrhundert geißelte der marxistische Publizist Franz Mehring die Sozialgesetzgebung Otto von Bismarcks als Mischung aus "Zuckerbrot und Peitsche". Das Zuckerbrot in Mehrings Deutung waren die Bismarckschen Zugeständnisse an die Arbeiter; mit der "Peitsche" bezog er sich auf die Ende der 1870er Jahre eingeführten Sozialistengesetze, die Bismarck innenpolitisch die Macht erhalten sollten.

Völlig anders scheinen die Steinhöringer Sozialdemokraten, rund 150 Jahre nach Mehrings links-polemischen Flugblättern, die Sache mit der Macht, dem Zuckerbrot und der Peitsche zu interpretieren. Klar, die Verhältnisse haben sich geändert, welche Geschenke sollten das schon sein, mit denen Politiker im Speckgürtel das Los der Bürger verbessern könnten, so wie der einstige Reichskanzler das der Arbeitnehmer im Deutschen Reich. Also geben sie, was längst da ist. Im Gemeinderat beantragte die SPD-Fraktion eine Tempo-30-Zone im Norden Tullings, der Gemeinderat stimmte zu.

Nun ist ja Verkehrsberuhigung grundsätzlich wünschenswert, doch scheint dieser Fall insofern speziell, als Messungen der unteren Verkehrsbehörde im Landratsamt Ebersberg ergeben haben, dass die Autofahrer im Wohngebiet bei der Mühlenstraße bereits jetzt im Schnitt nicht schneller als 33,6 Stundenkilometer fahren. Jetzt also will man Geld dafür ausgeben, dass die Autofahrer einfach so weitermachen wie bisher. Ein bisschen Zuckerbrot also, weil es der Bürgerseele gut tut. Wer hat, der hat!

Was aber, wenn in der nächsten Gemeinderatssitzung die Peitsche ausgepackt wird, weil man an anderer Stelle sparen muss? Da aber ist nun die CSU davor, vielleicht ist das mit der Peitsche ja auch nicht mehr so ganz zeitgemäß. Damit also die sinnfreie Maßnahme auch künftig für Steinhöring zu verschmerzen ist, hat die CSU-Fraktion ein paar praktische Vorschläge gemacht, zur Füllung der Gemeindekasse. Anita Neumeier beispielsweise kann sich vorstellen, aus den 40 Jahre alten Geräteraumtoren der Schulturnhalle Gewinn zu schlagen. Den Bestimmungen entsprechen sie nicht mehr, aber man könne sie doch sicherlich verkaufen?

Ein Vorschlag: Eintauschen! Gegen ein paar gebrauchte Tempo-30-Schilder aus anderen Gemeinden vielleicht, die dort keiner mehr haben will.

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