Mitten in Poing:Telepathie im Sitzungssaal

"Jeder weiß, was der andere denkt", sagt Bürgermeister Albert Hingerl im Poinger Gemeinderat nach kurzer Diskussion. Wenn das so ist: Es lebe die Kunst der Gdeankenübertragung. . .

Von Barbara Mooser

Mit manchen Freunden Filme zu sehen, ist ein großartiges Erlebnis. Entscheidet man sich für einen Klassiker, könnte man theoretisch den Ton ausmachen: Wort für Wort können die Film-Freaks mitsprechen, was beispielsweise der Dude bei "The Big Lebowski" so vor sich hinfaselt oder welche Erkenntnisse über Männer Sally und Marie bei "Harry und Sally" bequatschen. Ähnlich, wenn auch vielleicht nicht so ganz unterhaltsam, ist es bisweilen in so manchem Gemeindegremium: Ist man dort schon eine Weile zugange, könnte man sich die Ohren zuhalten und wüsste bei manchen Themen dennoch ganz genau, wer was gleich sagen würde.

Im Poinger Gemeinderat wurde dieses Faktum am Donnerstag auf ganz reizende Weise vor Augen geführt: Ein kleines Gehakel über Einsparmöglichkeiten da und dort sowie die Pflicht, demokratische Entscheidungen zu akzeptieren, beendeten Peter Maier (SPD) und Ludwig Berger (CSU) nach erstaunlich wenigen Worten mit einer kurzen Geste und einem Achselzucken. "Jeder weiß, was der andere denkt", kommentierte Bürgermeister Albert Hingerl, woraufhin gleich auch noch Bärbel Kellendorfer-Schmid aus eben diesem Grund ihre Wortmeldung zurückzog. Da möchte man doch eigentlich gleich gern noch ein Stück weiterdenken: Wie wäre es denn, tauschten die Gemeinderäte ihre Argumente künftig nur noch per Gedankenübertragung aus? Schweigend säßen die Politiker im Saal, ließen Kritik, Lob und Anregungen zwischen ihren Hirnen hin- und herschwirren, und am Ende müssten sie nur noch die Hand heben, um dafür oder dagegen zu stimmen. Oder vielleicht müssten sie nicht einmal mehr im Sitzungssaal zusammenkommen - vielleicht funktioniert die Telepathie auch vom Badeweiher zum Wohnzimmersessel zur S-Bahn? Keiner müsste sich mehr abhetzen, DFB-Vizepräsident Rainer Koch müsste vielleicht nicht einmal mehr durch die Welt jetten, um rechtzeitig in Poing mitentscheiden zu können.

Allerdings: Für die Besucher im Sitzungssaal wäre es dann wohl ein klein wenig langweilig, zu berichten gäbe es auch nicht viel. Und auch die arme Protokollführerin täte sich womöglich schwer. So ganz wird man das Reden wohl also auch in Zukunft nicht unterlassen können.

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