Mitten in Grafing:Vereinigte Hosenträger

Die Straußdorfer Trachtler beglücken sich zur ihrer 65-Jahr-Feier mit einer Identifikation stiftenden Mode

Christian Hufnagel

Wer als Kind damit gequält wurde, hat peinigende Erfahrungen gesammelt: Er sah an einem nicht unbedingt cool, ja geradezu zum Schämen aus, wie er die Hose bis zum Bauchnabel hochzog. Und er war jederzeit für die Kumpels geeignet, einen schmerzvollen Streich zu spielen. Ein solcher Schnalzer tat auf der Haut richtig weh. Nein, dieses Gummiband hatte wirklich niemand gebraucht, und der Gürtel war schließlich ein ästhetischer Segen. So verlor der Hosenträger seine Funktion, verschwand er weitestgehend aus dem alltäglichen Erscheinungsbild, blieb er nur noch als Accessoire an Randgruppen wie den Punks hängen. Den Niedergang überdauerte dieses nützliche wie hässliche Modedetail nur in einer Nische, in der es seit Jahrhunderten als Schmuckstück mit breiter Brust und zuweilen nicht weniger voluminösen Bauches stolz getragen wird. Zur bayerischen Tracht gehören die beiden Riemen wie Lederhose, Dirndl oder Gamsbart.

Nimmt es also nicht Wunder, wenn die "Voglberger" ihre jüngste Pressemitteilung mit einer spektakulären Schlagzeile aufmachen: "Straußdorfer identifizieren sich mit Hosenträger." Das mutet auf den ersten Blick an, als ob die Einwohner der kleinen Ortschaft bei Grafing modisch die Zeit zurückgedreht und ihre Gürtel fortgeworfen haben. Aber die Sehnsucht nach einem vereinigenden Merkmal erfüllt sich doch nur eine Minderheit: "Lange ist es schon Wunsch der Trachtler, einen gemeinsamen Vereinshosenträger zu besitzen." Den verwirklichen sich die Brauchtumsbewahrer nun: Zu den 65-Jahr-Feierlichkeiten im Juni wollen sie mit dem Motiv der Pfarrkirche auf dem Brustband im Festzug mitmarschieren. Bei der Frühjahrsversammlung wird "passgenau abgemessen" für den neuen Hosenträger. Der hat bekanntlich gegenüber dem Gürtel wenigstens einen Vorteil: Niemand muss seinen Bauch einziehen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: