Mitten in Grafing:Tierischer Selbstbetrug

Vieles vermisst man nach seinem Verlust erst richtig, das gilt auch und besonders für Haustiere

Von Anja Blum

Geht es um das Thema Haustiere, so stehen sich oftmals zwei unversöhnliche Lager gegenüber. Die einen, die ihren pelzigen Liebling geradezu verhätscheln und dabei weder Kosten noch Mühen scheuen. Die Hund, Katze, Vogel - oder was auch immer - eher wie einen Partner oder ein Kind behandeln. Deren Wohl und Wehe in großem Maße abhängt vom Wohl und Wehe ihres Haustiers. Auf der anderen Seite jene Menschen, die jedem Bohei ums Viech skeptisch, wenn nicht gar kritisch gegenüberstehen. Die es für wesentlich vernünftiger und angebrachter halten, die Sphären von Zwei- und Vierbeinern deutlich voneinander zu trennen. Sei es ganz praktisch im Alltag als auch auf der Ebene der Emotionen. Ganz nach dem Motto: Mensch ist Mensch, und Tier ist Tier.

Das bedeutet allerdings beileibe nicht, dass solche Leute Tiere nicht mögen (das wiederum ist eine ganz andere, durchaus zweifelhafte menschliche Spezies). Oftmals bringen gewisse Umstände jene Pragmatiker sogar dazu, sich einen Vierbeiner anzuschaffen, zum Beispiel der Kinder wegen. Dann tapst plötzlich so ein kleines Kätzchen maunzend durchs Wohnzimmer - und man kommt gar nicht umhin, es ein wenig zu streicheln und zu kraulen.

Was dann folgt, ergibt sich aus der Natur der Sache, äh, Verzeihung, des Tieres: Frauchen kümmert sich, füttert das kleine Wesen, sorgt für seine Hygiene. Erlebt freudig das muntere Aufwachsen mit, übersteht während der immer länger werdenden Spaziergänge angstvolle Stunden, ist schließlich überwältigt vom Erlebnis des ersten Wurfs im Schlafzimmerschrank. Gerade an Weihnachten zeigt sich, wie sehr die Katze Tier der Familie geworden ist: Auch sie legt ein Geschenk unter den geschmückten Baum - eine tote Maus. Gemeinsam verbringen Frauchen und Katze manch regnerischen Tag auf dem Sofa, genießen im Frühling die ersten wärmenden Sonnenstrahlen auf der Terrasse. Es könnte gerade immer so weiter gehen. . .

Und dann, eines viel zu frühen Tages, kommt ein Anruf, der - obwohl erwartbar - eine Welt zusammenbrechen lässt: Ein Auto hat dem jungen Katzenleben ein Ende bereitet. Was bleibt, ist ein Begräbnis im Garten. Da spätestens merkt der Pragmatiker, wie sehr er es doch geliebt hat, dieses wunderbare Viech. Aber tröstlich ist das dann nicht.

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