Mitten in Grafing:Ministerin in spe

Ein kleines Mädchen möchte gerne mit dem Taxi nach Hause fahren und warnt daher seine Mutter vor den Gefahren der Nacht

Von Wieland Bögel

Dass man Begabungen und Talente der Menschen, besonders der jüngsten, fördern sollte, ist eine Weisheit, die, wäre sie ein Kleidungsstück, wohl einem ausgetretenen Hausschuh oder einem viel zu oft gewaschenen Jogginganzug entspräche. Nichtsdestotrotz hat sie, wie ja auch die alten Hausschuhe oder der viel zu gemütliche Trainingsanzug, durchaus seine Berechtigung, wäre Talentverschwendung doch eine echte Schande. Dabei spielt es auch gar keine Rolle, um welche Begabung es sich handelt, die Herausforderung ist lediglich, die richtige Aufgabe für das manchmal sehr spezielle Talent zu finden.

Etwa im Falle eines kleinen Mädchens im Grundschulalter, das kürzlich am frühen Abend mit seiner Mama mit der S-Bahn unterwegs war. Als diese in Grafing-Bahnhof einfuhr, war es draußen aufgrund der Jahreszeit schon einigermaßen finster, was die junge S-Bahn-Passagierin zu der Forderung verleitete, doch ein Taxi zu nehmen. Beziehungsweise der Mama anzubieten, nach einem solchen Ausschau zu halten, nur keine Umstände. Die Antwort der Erziehungsberechtigten - dass man für die paar Meter wirklich kein teures Taxi in Anspruch nehmen müsse - fiel zwar nicht im Sinne der Antragstellerin aus, die sich davon indes nicht entmutigen ließ - ganz im Gegenteil. Es sei doch schon ganz dunkel, so die potenzielle Taxikundin, da könne doch etwas passieren, die Nacht sei viel zu gefährlich, um taxilos nach Hause zu gelangen.

Wie erfolgreich dieser erneute Überredungsversuch war, ist nicht überliefert, aber auf jeden Fall kann man dem jungen Mietauto-Fan ein gewisses Talent nicht absprechen: Zum Zwecke des eigenen Fortkommens Angst und Schrecken zu verbreiten - oder es zumindest zu versuchen. Mit richtiger Förderung wird aus der Kleinen in ein paar Jahren eine der nächsten Innenministerinnen - die dann auch gelernt hat, sich das schelmische Grinsen bis nach der Gefahrenwarnung zu verkneifen.

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