Mitten in Grafing:Der Weg braucht einen Namen

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Straßenbenennungen sind so einfach nicht. Ein Katholik im Luther-Jahr? Mhmm. Und warum eigentlich schon wieder ein Mann?

Von Thorsten Rienth

Wo Städte wachsen, also auch in Grafing, müssen in schöner Regelmäßigkeit neue Gangerl, Wege und Straßen benannt werden. Weil solche Entscheidungen von gleichermaßen städtebaulicher und historischer - ja gar: zukunftsweisender - Tragweite sind, ist ein doppelter Boden eingebaut. Erst muss der Bauausschuss zustimmen, dann der Stadtrat. Letzteres gehört eigentlich zu den Formsachen lokalpolitischer Entscheidungsfindungen - aber nicht immer.

Ohne viel Wichtigtuerei hatte der Grafinger Bauausschuss vor einigen Wochen verfügt, dass die Straße des neuen Aiblinger Anger-Baugebiets "Apfelpfarrerweg" heißen möge. Apfelpfarrer, so nannten sie in Grafing den Pfarrer Korbinian Aigner. Ein Mann, der von 1916 an für einige Jahre in der Stadt lebte und neben seinem seelsorgerischen Schaffen als leidenschaftlicher Apfelzüchter auffiel. Später legte er sich mit den Nazis an, weil er Georg Elsers Bürgerbräu-Attentat im Religionsunterricht keine Sünde nennen wollte. Den Rest des Krieges verbrachte er deshalb in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Dachau.

Korbinian Aigner in allen Ehren, aber warum denn nicht einmal der Namen einer Frau? Diese Frage kam nicht etwa aus dem Kreis der üblichen Verdächtigen, also von den Grünen, sondern vom Landtagsabgeordneten Thomas Huber (CSU). Keine einzige sei bei den vergangenen Straßenbenennungen zum Zug gekommen. Mit der Maria-Aneder-Straße und der Josefa-Kohlpaintner-Straße seien passenderweise welche vorgeschlagen. Und den Pfarrer Aigner könnte man sich doch für die nächste Gelegenheit aufheben. Tatsächlich stehen bald weitere Benennungen an.

Korbinian Aigner in allen Ehren, begann schließlich auch Grünen-Fraktionschef Wolfgang Huber seine Wortmeldung. Bei den letzten nach Pfarrern benannten Straßen sei sie Wahl ausschließlich Katholiken gefallen. Ob es nicht auch in Bayern einmal Zeit für einen Protestanten sei?

Luther-Jahr hin oder her, wie es denn mit einem etwas weltlicheren Anstrich wäre? Vielleicht "was mit St. Marcellin", schlug Freie Wähler-Stadtrat Christian Einhellig vor. Ratlose Blicke, verlegenes Rumgedruckse. Kann mal schnell jemand den Namen der Partnerstadt buchstabieren? Dann doch lieber "Pfarrer-Aigner-Straße". Abgemacht? Abgemacht.

© SZ vom 17.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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