Ein wohl objektiv gut aussehender junger Mann auf einer grünen Wiese. Kinnlanges dunkles Haar, gut gepflegter brauner Bart. Vielversprechender Blick aus treuen Augen. "Lust auf ein Date mit mir?" Soll er wohl sagen. Tatsächlich steht das in schwarzen Großbuchstaben auf der Anzeigetafel in der S-Bahn kurz vor Ebersberg.
Abgesehen von der Frage, was von Werbeanzeigen diverser Dating-Plattformen im öffentlichen Nahverkehr zu halten ist: Wer könnte da nein sagen? Ein perfekter Hipster mit hübschem Lächeln, und das zum Osterfest. Sehr verlockend.
Die farbigen Bilder erzählen von der Passion Christu. Allein die Grundierung einer Tafel dauert zwölf Tage.
Doch bevor Herzen höher schlagen, gilt auch bei dieser Anzeige: Es lohnt sich, das Kleingedruckte zu lesen. Denn Urheber des Angebots ist "Bibel-TV". Eine weitere Bildunterschrift lässt wissen, dass es sich bei dem jungen Mann um Jesus handeln soll. Und Bibel-TV ist anscheinend ganz scharf darauf, junge Menschen mit dem Messias zu verkuppeln. An Ostern. Zur Prime-Time.
Spätestens da verwandeln sich die Osterglocken im Kopf in schrilles Alarmgebimmel: Ein Date mit Jesus? Nun sollten Bestrebungen der katholischen Kirche, sich zu erneuern, festgefahrene Dogmen zu lockern, gar, Humor zu zeigen, prinzipiell durchaus begrüßt werden. Denn so allgemein wie die Anzeige gehalten ist, signalisiert sie: Jesus scheint offen für zeitgenössische Formen der Partnervermittlung zu sein.
Doch der nächste Gedanke, der sich aufdrängt, ist die Frage, wie ein solches Rendezvous mit dem Sohn Gottes ablaufen würde. Die imaginären Oster-Alarmglocken steigern sich zu einem regelrechten Glockenwirbel. Ein Abend mit einem Gesprächspartner dieses Kalibers klingt unglaublich stressig.
Nicht nur klug, weise und gebildet soll Jesus ja sein, sondern auch noch über Superkräfte verfügen. Auf dem Wasser gehen und so. Über die Tatsache, dass er außerdem mittlerweile mehr als 2000 Jahre Menschheitsgeschichte live miterlebt hat, sollte gar nicht erst nachgedacht werden. Ein Gespräch mit dem Dalai Lama erscheint im Vergleich dazu durchaus machbar.
Andererseits - gelänge es einem, die aufgeregte anfängliche Sprachlosigkeit zu überwinden, gäbe es bestimmt so einiges, das man den Sohn Gottes fragen könnte. Wie es ist zu sterben, beispielsweise. Für die Menschen. Ob sich das gelohnt hat. Aber auch nach der Ungerechtigkeit in der Welt. Dem Hunger. Der Armut. Dem Krieg. Und wenn er darauf gute Antworten liefert, dann hat Bibel-TV vielleicht wirklich eine Verkaufslücke gefunden.
