Mitten in Ebersberg:Ola, los Desperados

Wildwest-Methoden gibt es nicht nur am Rio Grande, sondern auch im Ebersberger Amtsgericht

Von Wieland Bögel

Damals, im wilden wilden Westen, das wissen alle Revolverhelden und alle, die gerne welche gewesen wären, gab es für gesuchte Banditen nur eine sichere Methode, dem Sheriff und dem Galgenbaum zu entkommen: der Ritt über den Rio Grande nach Mexiko. An dessen Südufer warteten dann Tequila und Señoritas, am Nordufer der Sheriff vergeblich auf die Rückkehr der Bandidos. Zahllose Western widmeten sich bereits dem mehr oder weniger erfolgreichen Ritt nach Mexiko. Doch auch in der Realität, viele Jahrzehnte später und viele Tausend Meilen vom Rio Grande entfernt, kann man sich auf ähnliche Weise vor dem Gesetz in Sicherheit bringen - zumindest vor dessen bayerischen Vertretern.

Dazu muss man nicht einmal den Rio Grande überqueren, der seinen Beinamen Rio Bravo - der wilde Fluss - sicher nicht zu Unrecht erhalten hat. Nein, es reicht schon, das nördliche Ufer des Feilebachs zu erreichen. Der verläuft im Süden Sachsens und in dieses Bundesland hatte sich ein junger Mann begeben, der sich eigentlich vor dem Ebersberger Amtsgericht wegen Körperverletzung verantworten sollte. Normalerweise, wenn ein Angeklagter unentschuldigt fehlt, verfügt das Gericht die sogenannte Vorführung. Dies bedeutet, dass er bei der nächsten Verhandlung von der Polizei abgeholt und ins Gericht gefahren wird, damit er es auch auf jeden Fall findet. Was aber, so das Ergebnis sofortiger Recherchen des Gerichts, in diesem Fall nur mit sehr großem Aufwand möglich sei. Denn ein Angeklagter kann laut Gesetz nur von der Polizei seines Heimat-Bundeslandes zur Vorführung abgeholt werden, während im Gegenzug die Polizei des Landes, in dem sich das Gericht befindet, für das Abliefern zuständig ist. Demnach müsste also die sächsische Polizei den Angeklagten einsammeln, an der bayerischen Grenze, also etwa auf Höhe des Feilebachs, den Kollegen aus dem Süden übergeben, die den Mann dann nach Ebersberg zu seiner Verhandlung fahren. Zu viel Aufwand, entschied das Gericht, und beschloss, es auch beim nächsten Mal bei einer einfachen Ladung zu belassen.

Ganz sicher ist der sächsische Desperado in seiner Heimat vor den bayerischen Sheriffs indes nicht. Denn für den Fall, dass er auch beim nächsten Mal den Ritt nach Süden nicht antritt, hat das Gericht schon angekündigt, einen Haftbefehl zu erlassen - im wilden wilden Westen hätte man übrigens längst die Kopfgeldjäger ausgeschickt.

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