Mitten in Ebersberg:Die wirklich stade Zeit

Eigentlich verdient der Hochsommer das Attribut, das dem Advent zugeschrieben wird. Doch der drängt sich jetzt schon ganz unangenehm vor

Von Barbara Mooser

Oft ist es ja so, dass Spitznamen gerade das Gegenteil dessen meinen, was sie sagen: Da wird ein dicker, kleiner Mann aus unerfindlichen Gründen dann Spargel genannt oder ein bärenhafter Hüne trägt den Kosenamen Hasi. So ähnlich ist es mit der staden Zeit, dieser Begriff bezeichnet für gewöhnlich die - Gott sei Dank! - noch weit entfernt liegenden Tage vor dem Weihnachtsfest. Wie jeder weiß, gibt es aber kaum eine Zeit im Jahr, die weniger stad sein könnte: Man hetzt von Adventsmarkt zu Weihnachtsbasar, von Krippenspiel zur Weihnachtsfeier, schiebt zwischendrin blechweise Plätzchen in den Ofen und bastelt unter Aufbietung der letzten Kräfte mit den Kindern noch etwas Christbaumschmuck. Am Ende ist man urlaubsreif und hat den Wunsch, den ganzen Januar lang das Sofa möglichst nicht zu verlassen.

Doch es gibt eine Zeit, die mit viel mehr Recht das Adjektiv stad verdienen würde: Es sind diese Tage im Hochsommer, wenn die flirrende Hitze über dem Land liegt, wenn Freunde und Bekannte wechselweise im Urlaub sind, wenn öffentliche Verkehrsmittel und Straßen leer sind, wenn man bei Behördengängen auf verwaiste Büros trifft, wenn es viel zu warm ist für größere körperliche Aktivitäten, wenn sogar die Lieblingskneipe ein paar Wochen zu macht. Da bleibt einem fast nichts übrig, als die Tage möglichst kraftschonend herumzubringen, an den Abenden faul im Garten herumzulungern, den Grillen zuzuhören, ein Fläschchen Wein zu öffnen, den Mond zu betrachten...

Doch seit einiger Zeit drängt sich die falsche stade Zeit zunehmend in die echte stade Zeit hinein: Lebkuchen gibt es Ende August, Adventskalender ein paar Wochen später. Der "Food Pressedienst" ruft per E-Mail Mitte August zum Wettbewerb "Wer backt das schönste Knusperhäuschen?" auf und legt eine Woche später mit der Ankündigung nach: "Weihnachten naht mit großen Schritten." Doch auch in den Gemeinden steht man in den Startlöchern: In Pliening etwa haben die Vorbereitungen für den Weihnachtsmarkt begonnen, Vereine oder Organisationen, die etwas beitragen wollen, sollen sich schleunigst bei Frau Winter melden. Fast fragt man sich da, ob man nicht langsam damit beginnen sollte, Weihnachtsgeschenke zu besorgen? Doch nein - ganz bestimmt nicht! Lieber noch die letzten grandiosen Tage genießen - und sich wappnen für die Zeit, die dunkel, kalt und alles andere als stad ist.

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