Mitten in Ebersberg:Alles einzigartig

Der Sommer ist derzeit heiß wie selten, doch manchem ist das noch lange nicht genug Wärme

Von Karin Kampwerth

Mit der Wahrnehmung ist das so eine Sache, meistens sogar eine ganz individuelle. Nehmen wir nur einmal die Uhrzeit. Sieben Uhr morgens ist für den Frühaufsteher mitten am Tag - und für den Langschläfer mitten in der Nacht. Das thailändische Curry empfindet der eine als gut gewürzt, der andere allerdings als höllisch scharf. Selbst vor der Schule macht die Individualität der Impression keinen Halt. Für den mittelmäßigen Schüler ist die Vier in Latein eine Top-Leistung und für den Schlaumeier der Tiefpunkt. Die Liste der unterschiedlichen Wahrnehmungen von Alltäglichem ließe sich freilich beliebig fortsetzen. Aber, liebe Leute, der Sommer kann doch nicht dazu gehören!

Gut, es gibt Menschen, die bei 25 Grad im Schatten noch bibbern, während andere Zeitgenossen im schweißnassen Hemd am Schreibtisch sitzen. Wenn aber die Unterschiede so krass sind wie an einem dieser Hitzenachmittage in Ebersberg, kommt der Flaneur, der in der knalligen Sonne über den Marienplatz spaziert, nicht mehr nur ins Schwitzen, sondern auch aus dem Staunen nicht mehr raus.

Setzt sich also ein Mann an einen Tisch vor der Eisdiele. Nichts Ungewöhnliches - bis zum Abgleich seiner Kleidung mit dem Handy-Thermometer. Er trägt einen wattierten Winterparka mit Kapuze, Halstuch, Jeans, dazu knöchelhohe Lederboots mit dicken Profilsohlen. Die Anzeige auf dem Display des Smartphones zeigt 32 Grad. Um der Situation den Irrwitz zu nehmen, nimmt man nach einem kurzen Umgebungsscan einfach mal an, dass der Mann zu dem Motorrad gehört, welches ein paar Meter weiter abgestellt ist. Fast wäre die Welt wieder in Ordnung, würde da nicht ein anderer Mann fröhlich pfeifend um die Ecke biegen, schnurstracks auf ein weiteres Motorrad zusteuern, den Helm überstülpen und losfahren. Er trägt: Schwarze Bermudas, Turnschuhe und ein weißes T-Shirt. Darauf steht: "I'm individually" - ich bin individuell. Genauso ist es mit der Wahrnehmung. Sie ist so einzigartig wie dieser Sommer.

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